Ein silbernes Hufeisen
Guinievaires rechter Platz war allein bei ihm. Wann würde sie dies bloß endlich und vor allem endgültig verstehen?
„Es geht nicht,“ wisperte sie und bemühte sich, ihrer dünnen Stimme Nachdruck zu verleihen.
Aber zugleich musste es gehen, denn Alex wollte und konnte keinen Tag länger warten und er konnte auch nicht verstehen, warum sie vorgab, ihn nicht ebenso sehr zu wollen. Er beschloss jedoch, ihr kleines Spiel zunächst mitzuspielen. Galant ließ er sie also los, nachdem er ihren Handrücken noch einmal geküsst hatte. „Nun, dann gute Nacht, Prinzessin,“ sagte er ihr weiterhin mit glatter Stimme und warf ihr einen bedauernden Blick zum Abschied zu. Guinievaire zögerte, natürlich zögerte sie, und sie lächelte nervös, auf jene Art und Weise, wie nur Alex sie jemals zu sehen bekam, wenn sich ihre kleinen, vollen Lippen über ihre winzigen Zähne kräuselten. Sie mochten winzig sein, dennoch waren sie auch spitz und scharf, dies wusste niemand so gut wie er.
„Schlaf gut,“ erwiderte sie ihm ausgesprochen langsam. Alex hob die Augenbrauen, nickte und verschränkte die Arme, wobei er vorgab, als warte er einzig darauf, dass sie endlich ging. Verzweifelt über ihre eigene Unbeständigkeit seufzte Guinievaire schließlich, dann kehrte sie ihm den Rücken zu und verschwand durch die gläserne Türe in sein dunkles Zimmer.
Wieso zum Teufel hatte sie bloß diese unerträgliche Angewohnheit, es ihm so unfassbar schwer zu machen, und warum nur ertrug Alex diese Angewohnheit mit einer Geduld, von der er niemals geglaubt hatte, er könne sie in sich finden? Diese lachhafte, platonische Beziehung, die sie derzeit führten, sie konnte ihr doch unmöglich genügen, wo sie doch zusammen gewesen waren, monatelang, Tag um Tag. Guinievaire hatte damals beinahe bei ihm gelebt und nur zum Schlafen hatte er sie nach Hause gebracht. Sie hatte bestimmt, was in Lovett Residence auf den Tisch kam, sie hatte seine Blumen bestellt, seine Feste geplant, sie hatte seine Anzüge gekauft und sein Personal herumkommandiert. Guinievaire war seine Familie gewesen, seine Frau, allein der Ring und die alberne Zeremonie hatten gefehlt, und er wusste, er war sich mehr als nur sicher, dass sie es geliebt hatte, so mit ihm zu leben, weil sie ihn geliebt hatte, über die Maßen. Alexander hatte niemals an ihrer Zuneigung zweifeln müssen, sie hatte ihm früher oft ins Gesicht gesagt, wie sehr sie ihn anbetete. Sie konnte es ganz einfach nicht vergessen haben, die tausend Nachmittage, die sie einzig in seinem großen Bett verbracht hatten und die vielen Male, die sie sich in den Waschräumen von Hotels und Theatern vor neugierigen Augen versteckt hatten. Sie war glücklich gewesen, mehr als das, damals mit ihm, denn er hatte alles dafür getan, dass sie es war. Es war also absolut unmöglich, dass sie nicht wieder zurück wollte, und sie konnten wieder zurück, dies musste sie doch einsehen. Für sie allein war er Cici losgeworden, außerdem wusste sie nun, dass er ihr treu ergeben und sanft und liebevoll sein würde und zu guter Letzt war auch der Pferdejunge weit fort in einem anderen Land. Woher nur nahm sie diesen eisernen Willen, ihm treu bleiben zu wollen? Fast ein Jahr hatte sie ihn nun immerhin schon nicht mehr gesprochen, geschweige denn berührt, weswegen Alex es nicht zu glauben vermochte und er wollte definitiv auch nicht darüber nachdenken, wie es diesem Zwerg gelungen war, Guinievaire, der Treue im Grunde so fern lag wie Alex, derart standhaft zu machen. Vielleicht überschätzte er sie jedoch auch, denn dieses Nein heute Nacht hatte sie viel Kraft gekostet und er hatte noch lange nicht vor, nach einem einzigen Versuch ganz einfach wieder aufzugeben. Monatelang hatte er sie ab sofort allein für sich. Ihr grauenhafter Verlobter würde niemals auftauchen und früher oder später würde Guinievaire nachgeben, selbst wenn es anfangs nur um Sex gehen sollte. Sobald sie anfing, wieder mit ihm zu schlafen, würde sich alles übrige ganz von alleine ergeben, besonders weil er dann auch in der Lage war, wesentlich subtiler und präziser in seinen Intrigen vorzugehen. Im Moment wollte Alex nur eines, denn in dieser Hinsicht – wie in so vielen – war er genau wie seine Liebste: er wurde unerträglich, wenn er keinen Sex bekam.
Mit einem letzten Blick hinaus auf Paris seufzte er und beschloss schließlich, in sein Bett zu gehen. Morgen war ein neuer Tag und das Musée d‘Orsay wartete auf ihn und seine Angebetete. Morgens
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