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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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alles.“
    In ihrem gefährlich verschwimmenden Augenwinkel sah Guinievaire die Lichter von Paris. Die Straßen waren oder schienen nun wirklich vollkommen still zu sein, und eine kühle Brise wehte Alex eine weiche Strähne seines herrlichen Haares aus dem blassen Gesicht. Was für ein schmerzhaft perfekter Moment, dachte sie, und eben deswegen hatte er sie hierher gebracht: er hatte gewollt, dass es genau so passierte. Wenn er es wünschte, dann gehorchte ihm sogar der Wind, einzig um sie dazuzubringen, zu tun, was er wollte und Guinievaire tat es gewissenhaft jedes einzelne Mal – gegenüber Alex war sie vollkommen hilflos.
    „Ich sollte in mein Bett gehen,“ wisperte sie mit kaum vernehmbarer Stimme, um ihm zu entkommen, bevor er mehr von seinem unwiderstehlichen Zauber wirken konnte.
    „Es ist noch nicht spät, Engel,“ behauptete Alex weiterhin unbekümmert, aber es war doch sehr spät und Guinievaire war müde und außerdem wollte sie nicht an einem einzigen Abend jeden einzelnen Vorsatz aufgeben, um welche sie sich doch erst seit sehr kurzer Zeit bemühte. Scheiterte sie bereits heute an ihren Absichten, dann wäre dies wohl ein Zeichen geradezu lächerlicher Schwäche.
    „Ich bin müde, Liebling,“ hauchte sie also erschöpft, wobei zugleich Alex‘ Griff fester wurde. „Gute Nacht,“ betonte sie dennoch.
    „Du willst nicht gehen,“ erwiderte ihr bester Freund gnadenlos.
    „Doch, das will ich,“ log Guinievaire sehr leise. Es war ein sinnloses Unterfangen, denn Alex wusste einfach immer, wenn sie log. Dazu musste er sie lediglich ansehen.
    Sie wollte fliehen, weil sie in ihrem chaotischen Kopf ihrem neuen, albernen Spielzeug Treue geschworen hatte und nun, in diesen Sekunden, jenen Schwur aufs Heftigste überdachte. Es war hinreißend, zu beobachten, wie ihre kleinen, roten Lippen zuckten und ihre weiche Nasenspitze mit ihnen, was sie immer taten, wenn sie log. Dieser Tatsache war sie sich jedoch glücklicherweise nicht im Geringsten bewusst.
    Sie wand sich aus seinem Griff und drehte sich zur Türe, Alex aber dachte nicht einmal daran, sie gehen zu lassen. Mit einer vertrauten Geste streckte er den Arm aus und nahm ihr spitzes Handgelenk. Umgehend wandte sie sich daraufhin zu ihm um und vermutlich weil sie ebenso viele, alte Erinnerungen an diese Pose hatte wie er, legte sich ein kleines Lächeln auf ihr eigentlich zorniges Gesicht.
    „Bleib,“ befahl er, wobei er vorsichtig versuchte, ob seine strikten Anweisungen nach wie vor die gleiche Macht über Guinievaire hatten. Es fiel ihr manchmal beeindruckend schwer, ihm zu widersprechen, aber zu anderen Gelegenheiten war zuweilen auch eine zornige Hölle über ihn hereingebrochen, hatte er versucht, seiner Liebsten zu sagen, was zu tun war. Heute zögerte sie zunächst und schloss die schweren, weißen Lider, bevor sie ihm antwortete.
    „Nein, Alexander, ich kann nicht,“ stammelte sie mit einem unregelmäßigen Kopfschütteln. „Ich will Tony nicht betrügen. Und ich will nicht, dass du dir falsche Hoffnungen machst.“
    Wie naiv seine Guinievaire doch war, dachte Alex, denn er hoffte immerhin nicht, er wusste. Ihre kläglichen Versuche, ein artiges Mädchen zu werden, sie waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, wo sie doch versucht hatte, eine andere zu sein, unverfänglich in seiner Gegenwart und wohlerzogen. All dies beherrschte sie jedoch nicht: nichts lag ihr ferner als angemessenes Benehmen, und wenn sie etwas absolut nicht tun sollte oder durfte, dann war es nur eine Frage der Zeit bis sie es tat, dies waren die wahren Regeln ihres Charakters, welche ihm heute Nacht endlich wieder entgegenkommen sollten.
    Deswegen machte er nun zwei Schritte auf sie zu, was eine weitere, alt bekannte Tradition war, und hob ihre lange Hand zu seinen Lippen, wo er ihr Handgelenk und die Knöchel küsste. Sie schmeckten nach Parfum und Salz, ganz so eben, wie sie schon immer geschmeckt hatten. Auf keinen Fall durfte sie gehen. Er hatte schon viel zu lange auf diese Nacht warten müssen und Guinievaire wusste zugleich mehr als genau, dass er üblicherweise keinerlei und nicht die kleinste Spur von Geduld hatte. „Bleib,“ wiederholte er also noch einmal.
    In ihrem hübschen Kopf debattierte sie währenddessen angestrengt mit sich selbst. Sie wollte bleiben, aber ihr kleines Gewissen, das sie sich aus unerfindlichen Gründen zugelegt hatte, schien ihr beharrlich davon abraten zu wollen. Dies war jedoch ganz einfach schrecklich dumm, denn

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