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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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doch derart leicht zu fallen schien, das Scheitern ihrer Beziehung zu verwinden. Zuletzt hatte er ihr gesagt, er wolle sich weiter um sie bemühen, aber nun? Er besuchte sie nicht mehr, er sorgte sich nicht mehr um sie, und Guinievaire, vollkommen verwirrt, wusste nicht, ob sie dies begrüßen sollte – immerhin hatte sie ihn unter Tränen darum gebeten – oder ob sie nicht schrecklich verletzt deswegen war. Sie wollte in seiner Nähe sein und sie hatte Angst davor, sie wollte, dass er sie noch liebte und sie fürchtete, dass sie es noch tat. Es war unerträglich schwer, nicht länger bei ihm zu sein und es war im Grunde unmöglich, denn sie hatte sich überschätzt, als sie geglaubt hatte, es würde ihr ganz leicht gelingen, ihn zu vergessen. Selbst wenn die Entscheidung, die sie gefällt hatte, wirklich die Beste für sie sein sollte, Alex steckte gründlich in all ihren Knochen.
    „ Möchten Sie das andere Kleid auch noch anprobieren?“ fragte Conroy sie, nachdem er lange einfach ruhig in einer Position verharrt hatte, um sie, die auf einem kleinen, runden Podest stand, das ihm die Arbeit erleichtern sollte, zufrieden zu betrachten. Guinievaire trug eine aufwendig gefärbte Kreation des Meisters und ein Blick in den Spiegel hinter dem relativ kleinen Mann mit dem elegant gekämmten, weißen Haar verriet ihr, dass er vollkommen zurecht einen derartig seligen Ausdruck in den Augen trug. Sie sah fantastisch aus, wieder einmal. Im Grunde besaß sie nicht viel Feingefühl im Umgang mit ihren Untergebenen und sie bemühte sich zumeist keine Sekunde lang darum, ihre Umgangsformen etwas zu verbessern, aber Conroy genoss ihren höchsten Respekt, schon seit dem ersten Mal, das er sie in eine seiner Roben geschnürt hatte unter Alex‘ wachsamen Augen. Er verstand sein Handwerk wie kein Zweiter und die herrlichsten Kleider, das versprach er ihr immer wieder, schuf er nur für sie, die immerhin ein dankbares Modell für seine Kunst war und zudem seine einzige Kundin.
    „ Welches andere Kleid?“ fragte sie ratlos, während sie sich ein weiteres Mal zufrieden drehte und dann einen Blick über die Schulter warf, um sich auch von hinten zu betrachten. Die Schleppe fiel bis auf den dunklen, alten Boden des winzigen, runden Raumes, in dem sie schon sehr viel Zeit verbracht hatte, während ihr Meister kleine Änderungen vorgenommen und Säume neu abgesteckt hatte. Regale, über und über voll mit Pailletten und Knöpfen und kleinen, silbernen Nadeln in praktischen Schubladen, reichten an allen Wänden vom Teppich bis zur Decke und es gab nur zwei Ausgänge: der eine führte in den vorderen Teil des Ladens zurück und der andere ins Atelier und zur magischen Nähmaschine des alten Mannes, der sie hinter seiner kristallklaren Brille aufmerksam ansah. Die weißen Hemden, die er trug, waren stets zu groß, damit er viel Platz hatte für seine dünnen, drahtigen Arme, die er ständig bewegte. Sein Kragen war immer zerknittert, denn immer und immer wieder zog er das Maßband, das er wie eine Krawatte um den Hals trug, von seinen Schultern, um auch wirklich sicher zu gehen, dass alles perfekt passte.
    „ Lord Lovett hat es für Sie in Auftrag gegeben,“ erklärte er, was an sich nichts Ungewöhnliches war. Alex sah sie gerne in dieser oder jener Farbe und machte ihr die fertigen Roben, die er bestellt hatte, dann zum Geschenk, zusammen mit einem teuren Schmuckstück, das er gekauft hatte. Eigentlich wollte Guinievaire ablehnen, weil sie das Gefühl hatte, es wäre nicht mehr angemessen, das zu tragen, worin sie nur ihm gefallen sollte, aber als Conroy nun fortfuhr, machte er sie neugierig. „Es war eine sehr aufwendige Arbeit, wir haben lange dafür gebraucht, aber jetzt sind wir bereit für eine erste Anprobe. Sie werden es lieben, Miss Hastings.“
    Conroy sprach immer von einem Wir, selbst wenn Guinievaire in der langen Zeit, die sie nun schon seine beste Kundin war, noch nicht herausgefunden hatte, auf wen er sich dabei bezog, denn sie begegnete immer nur ihm und hatte deswegen den starken Verdacht, dass dieser scheinbar gebrechliche Mann all die Wunderwerke, die in ihrem Schrank hingen, ganz alleine geschaffen hatte.
    Sie nickte, begierig darauf, das arbeitsintensive Stück zu sehen. In Windeseile verschwand ihr Schneider daraufhin durch die Türe, die tiefer in sein Atelier führte und kehrte ebenso schnell mit einem Kleidersack zurück, den er so behutsam und vorsichtig in den Händen trug, als handle es sich um etwas

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