Ein silbernes Hufeisen
den nächsten Tagen, in denen er sich ihr vollkommen verweigern würde. Wenn sie erst einmal verstand, dass es ihm ernst war, dann konnte sie nur noch eines tun, um ihn nicht zu verlieren. „Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob ich dann immer noch dein Freund sein kann oder ob ich es will.“ Alex seufzte schwermütig, dann drehte er die Hände aus ihrem überraschten Griff und verließ sofort eilig das Zimmer.
Guinievaire sah ihm erschrocken hinterher und zunächst war ihr Kopf vollkommen leer, aber dann musste sie langsam doch einräumen, dass sie noch niemals darüber nachgedacht hatte, was mit ihr und Alex geschehen sollte, kehrte sie als Tonys Frau zurück nach London. Dabei hätte es ihr bewusst sein müssen, dass ihr geliebter bester Freund zu sehr unter ihrer damit endgültig verpassten Chance leiden würde, um sie noch weiterhin jeden Tag zu sehen. Wenn Guinievaire sich jedoch eine Zukunft ohne Alex vorstellte, dann wurde ihr schrecklich übel. Dies war einfach keine Option. Verzweifelt erhob sie sich wieder von dem weichen Futon und positionierte sich auf ihrem ständigen Wachposten vor dem Fenster, denn trotz jener grauenhaften Vorstellung, Alex zu verlieren, sie konnte die einzig logische Konsequenz nicht ziehen. Und vielleicht würde es ihr sogar gut tun, ihn nicht länger zu sehen. Zu Beginn würde es sicherlich furchtbar schmerzhaft für sie sein, aber hatte sie nicht schon zuvor sechzehn lange Jahre ohne Alex gelebt? Dies war ihr Neuanfang, rief sie sich ein weiteres Mal stur in ihr wehmütiges Gedächtnis.
Draußen, inmitten des strömenden Regens, war derweil ein brauner Umriss aus dem Dunkel aufgetaucht, ein langer Fleck, der sich zu bewegen schien und dabei beständig auf das weite Tor zusteuerte. Als sie ihn entdeckte hatte, kniff Guinievaire die Lider zusammen, aber es war bei Weitem zu finster und zu nass und der Regen war ganz einfach zu undurchdringlich, um wirklich etwas erkennen zu können. Es könnte jemand sein, eine Person, dachte sie mit einem Mal, jemand, dessen Ziel dieses einsame Haus war.
Sie konnte nicht ohne Alex leben, unter keinerlei Umständen, es war unmöglich, denn einzig und allein Alex war es gewesen, der ihr langweiliges Leben damals überhaupt erst lebenswert gemacht hatte. Wer verstand sie, wenn nicht Alex? Wer sorgte sich um sie, wem war sie wichtiger als alles andere? Ein Leben ohne Alex stand vollkommen außer Frage.
Der Fleck wurde größer und länger. Er hatte die Form eines flackernden Ovales angenommen, wenn dies auch ganz und gar unregelmäßig in seinen Umrissen war. Vielleicht war es Tony, realisierte Guinievaire mit einem Mal. Wenn es Tony war, sollte sie ihm dann nicht entgegenkommen? Sie stellte sich vor, wie sie den Rock raffte und die Türe stürmisch öffnete, um sich im strömenden, tosenden Regen in seine kräftigen Arme zu werfen und dort endlich ihren Verlobten zu küssen. Er würde ihr sagen, dass er nun hier war und sie niemals wieder verlassen wollte und Guinievaire würde nicken und lachen und dann, wenn sie ebenfalls vollkommen durchnässt war, würden sie wieder zurück ins Haus gehen und sich gemeinsam vor dem Kamin aufwärmen.
Aber wohin war Alex denn nun verschwunden? Saß er in seinem Zimmer und verzweifelte ebenso sehr wie sie an der Vorstellung, in Zukunft alles ohne sie tun zu müssen? Was würde aus ihm, war es tatsächlich Tony, der geradewegs und schnell auf das Tor des Anwesens zukam? Guinievaire entschied, dass sie ihren besten Freund suchen sollte, denn sie wollte mit ihm sprechen. Dies war die wesentlich attraktivere Option, als im eiskalten Regen nach einem dunklen Fleck am Horizont Ausschau zu halten, oder etwa nicht? Bei genauerer Betrachtung musste sie einräumen, dass es tatsächlich Tony sein könnte, denn inzwischen hatte das Etwas damit begonnen, eine entfernt menschliche Form anzunehmen, und es bewegte sich zugleich auf eine seltsam vertraute Art und Weise. Guinievaire seufzte lediglich laut.
Sie wollte mit Alex sprechen. Sie wollte ihn anbetteln, niemals den Kontakt mit ihr abzubrechen und sie alleine zu lassen. Sie zwinkerte zweimal heftig, dann kehrte sie dem Fenster entschlossen den Rücken zu. Guinievaire musste sich endlich wieder bewusst werden, wo ihre Prioritäten lagen. Und sollte es tatsächlich ihr Verlobter sein, der endlich hierher nach Italien gekommen war, weil er sie unsterblich liebte und nun heiraten wollte, dann würde er die Eingangstüre auch alleine finden und man würde ihn sicher einlassen,
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