Ein silbernes Hufeisen
kleinlaut ein, dabei sah sie angespannt auf ihre Fingernägel. Sie war immer noch wütend auf ihn, oder etwa nicht? Alles war vorbei und vergessen, aber sie hatte ihm dennoch nicht verziehen.
„Du bist am Zug, Schatz,“ sagte Alex daraufhin in einem vollkommen anderen Tonfall, weswegen Guinievaire ihn ansehen musste, selbst wenn sie sich in diesem Moment hastig eine kleine Träne aus ihrem Gesicht wischen musste. Er lächelte ein wenig, nicht auf eine kalte oder beleidigte Art und Weise, sondern sehr zufrieden und sanft. Vielleicht hatte er verstanden und nun würde er ihr Zeit lassen, denn was sie brauchte, das war unbestreitbar nicht mehr als Zeit. Wenn Tony nicht bald kam, dann würden alle Wunden sich geschlossen haben.
Guinievaire lachte etwas verzweifelt. „Ich verliere ohnehin immer gegen dich,“ räumte sie endlich ein.
„Würde es dir helfen, wenn ich dich gewinnen ließe, Liebling?“ bot er ihr umsichtigerweise an und Guinievaire kicherte noch einmal.
„Nein,“ seufzte sie. „Aber es würde mir helfen, würden wir aufhören zu spielen und einfach den Wein trinken.“
Alex machte ein Gesicht, als sei dies eine vernünftige Idee und goss ihr nach, bevor er selbst zwei kräftige Schlücke nahm.
10 Dezember
In der langen Zeit in der Alexander Guinievaire nicht gesehen hatte, so hatte er nach eindringlicher Beobachtung in den letzten Wochen festgestellt, hatte sie sich nicht sehr verändert, selbst wenn sie zu Beginn noch bemerkenswert viel Zeit darauf verschwendet hatte, ihn glauben zu machen, sie wäre ein neuer Mensch. Inzwischen war sie zu großen Teilen wieder genau so, wie Alex sie kannte und wie sie ihm am liebsten war, jedoch eine Sache machte ihm tatsächlich nach wie vor große Sorgen: ihre offensichtliche Sehnsucht nach ihrem Verlobten, der Tag um Tag nicht auftauchte und Alex‘ schönen Hausgast damit in die Verzweiflung zu treiben schien. Sie stand oft am Fenster und hielt Ausschau, ob er nicht vielleicht heute durch das kleine Tor treten würde, und dann seufzte sie viel und ihre hübschen Augen waren traurig.
Alexander hasste diesen jämmerlichen Anblick selbstverständlich und den Gedanken, sie liebe ihren lächerlichen Pferdejungen wirklich, konnte er kaum ertragen. Wenn sie am Fenster stand, verspürte er deshalb oft den überwältigenden Drang, sie von den Scheiben fortzuziehen und sie dann dazu zu zwingen, sich alleine auf ihn zu konzentrieren. Früher einmal war alles anders gewesen – war er anwesend, dann hatte Guinievaire einzig und allein Augen für ihn gehabt. Sie hatte sich nur in seiner Nähe aufgehalten, hatte ihn berührt, ihn angesehen und ihm zugelächelt, als sei niemand anderes im Raum und als gäbe es niemand anderen auf der ganzen Welt, der sie kümmerte. Mittlerweile hatte Alex manchmal das Gefühl, sie habe vollkommen vergessen, dass er überhaupt noch hier war.
So konnte und durfte es selbstverständlich nicht weitergehen. Ganz egal, ob sie nun verliebt war in ihren Stallburschen oder nicht, es war schlicht und einfach unmöglich, und dies hatte sie selbst erst vor kurzem eingeräumt, dass sie ihn mehr liebte als ihren Alex. Dieses Mädchen gehörte ihm allein und nachdem er lange gewartet hatte nach den Vorfällen in Paris, viel länger als er jemals gedacht oder es für möglich gehalten hätte, war es nun endgültig an der Zeit, dies Guinievaire ein für allemal klar zu machen. Selbst wenn ihr Verlobter hier auftauchen sollte, musste Guinievaire sich längst wieder darauf entsonnen haben, mit wem sie wirklich den Rest ihres Lebens verbringen wollte, und die korrekte Antwort auf diese Frage war natürlich: einzig und allein mit Alexander Lovett.
Guinievaire befand sich im vorderen Salon, von dem aus man den besten Blick auf den Weg hatte, der vom Tor zur Türe führte. Sie stand aufrecht am Fenster und starrte stumm durch die Scheiben, was genau jener vertraute Anblick war, der Alex schrecklich quälte. Im Grunde konnte sie kaum in der Lage sein, wirklich etwas zu erkennen, denn obwohl es erst am frühen Nachmittag war, wurde es draußen bereits dunkel und außerdem regnete es auch heute wieder so heftig, dass alle Formen vor ihren Augen verschwimmen mussten. Ihr Haar war offen und sie trug ein schmales Kleid mit einem dünnen, geblümten Rock und einem tiefen Rückenausschnitt. Alex wäre gerne hinüber gegangen zu ihr und hätte ihre weiße Haut berührt und wäre mit dem Finger die Linie zwischen ihren Schulterblättern entlang gefahren.
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