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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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dies taten sie nun immerhin schon seit vielen Monaten, wobei ihre Konflikte im Grunde immer gleich verliefen: Alex hatte, wie schon sooft zuvor, unbedingt wissen wollen, warum sie immer noch wartete und Guinievaire hatte ihm geantwortet, ausgesprochen aufgebracht über seine Ungeduld, sie warte noch, weil sie ihn liebe. Ihr lieber, bester Freund hörte jene Schwüre schon lange nicht mehr allzu gerne.
    Über ihnen zirpten Vögel in den Ästen, aber sonst herrschte absolute, wundervolle Stille. Es musste am späten Nachmittag sein und alles in ihrer Umgebung, Alexanders herrlicher Garten, der kleine Wald mit dem Angelteich, das Sommerhäuschen am Fuße der Hügel, die Villa und der Brunnen, es war geradezu lächerlich idyllisch.
    „Du weißt, ich wecke dich nicht gerne,“ sagte Alex belehrend. Während die Sonne Guinievaires Zehen wärmte, war er angenehm kühl. Dies war einer der vielen Gründe, warum sie ihm schrecklich gerne nahe war: seine Körpertemperatur war beständig niedrig, ebenso wie die ihre, wodurch ihr kaltes Blut ihr nicht mehr beunruhigend erschien, sondern vielleicht sogar als eine Art Zeichen, dass sie zusammen gehörten. Es war ein alberner Gedanke, zugleich jedoch einer, den sie ausgesprochen gerne hegte.
    „Was liest du?“ wollte sie von ihm wissen. Sie hob den Kopf ein wenig, nur um ihn noch fester gegen Alex‘ Hals zu drücken.
    Sie hatten sich auch wieder versöhnt. Nach einer Stunde hatte diesmal Alex als Erster nachgegeben, war ihr gefolgt und hatte sich entschuldigt, obwohl es im Grunde nichts gab, wofür er ich entschuldigen musste oder wofür er sich nicht schon zuvor tausendmal entschuldigt hatte. Wie immer hatte sich alles wiederholt an diesem Tag in dieser Woche in diesem Monat, in einem fort: Tony kam nicht, Guinievaire wartete jedoch, um Alex zu provozieren und Alex ließ sie tun und lassen, was ihr gefiel, und dieses Verhalten von ihm gefiel ihr zugleich ganz und gar nicht, denn Guinievaire wollte inzwischen beinahe, dass er sie endlich zurückholte und zwar alles von ihr und nicht nur die Küsse und den Sex.
    „Dein Buch,“ gab Alex zurück. Er drehte die Hand kurz, damit sie den silbernen Titel lesen konnte. Er hatte es wohl neben dem gestreiften und gewundenen Stuhl gefunden.
    „Wie gefällt es dir?“ fragte sie weiter.
    „Ich weiß noch nicht,“ befand Alexander etwas zögerlich, dabei blätterte er durch die vielen, dicht beschriebenen Seiten.
    „Ich auch nicht,“ stimmte Guinievaire ihm zu. „Es ist nicht schlecht, aber manchmal ist es etwas künstlich, nicht? Sein Stil ist sehr bemüht.“
    „Das ist eben Literatur, mein Engel.“ Nachdenklich strich Guinievaire ein paar Falten aus seinem hübschen Hemd. Er roch so gut, dachte sie.
    „Aber kein Mensch denkt doch wirklich so. Musik ist nicht gelb. Sie ist laut oder leise,“ beharrte sie.
    „Du bist kein Synästhetiker, nicht wahr, mein Schatz?“ meinte Alex und hielt an einer bestimmten Stelle inne. „Dies hier ist nicht schlecht,“ sagte er dann und zitierte einige, kurze Sätze, wobei Guinievaire etwas kichern musste.
    „Liest du mir etwa vor? Das ist so ein Klischee,“ spottete sie mit weicher Stimme. Tony hatte das manchmal gerne getan und sie hatte es immer gehasst. „Was trägst du mir als nächstes vor, Liebesgedichte?“
    Alexander lachte daraufhin, während Guinievaire den Kopf hob und ihren Liebsten ansah. Seine schwarzen Augen funkelten. „My mistress‘ eyes are nothing like the sun,“ rezitierte er voller Inbrunst.
    Spielerisch schlug sie ihm daraufhin auf die harten Rippen. „Von einhundertvierundfünfzig fällt dir ausgerechnet dieses zu mir ein?“ bemerkte sie etwas empört und dann lachten sie gemeinsam und sie waren lächerlich idyllisch dabei, wie sie es schon zuvor bemerkt hatte. Hatten sie tatsächlich endlich einen Weg gefunden, um einfach glücklich zu sein? Guinievaire hätte ihn so gerne geküsst in diesem Augenblick, aber sie tat es nicht. Stattdessen sahen sie sich nur weiter an und zögerten, wie sie es so gerne taten.
    Während sie den Kopf wieder auf seine Brust fallen ließ und die Finger inzwischen etwas verzweifelt in seine Seite drückte, senkte Alexander seine Stimme und fragte erneut:
    „Warum wartest du noch auf ihn?“
    „Auf wen?“ antwortete Guinievaire.
     
     
    Nun, Tony kam nicht, er kam nicht im Dezember, nicht im Januar und nicht im Mai. Immer wieder stellte Guinievaire sich jene berühmte Szene vor, wie er schnellen Schrittes durch das breite

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