Ein silbernes Hufeisen
sie sehr plötzlich inmitten der Wildnis angehalten. Etwas schien nicht zu stimmen mit ihm.
Sie fand Alex sofort, denn er war nur wenige Schritte gegangen. Nun steckten seine Hände, typisch für ihn, in seinen Hosentaschen und während er den Rücken ihr zugewandt hatte, stand er an einem steilen Abhang und starrte von dort hinab auf ein weites, ausgesprochen ländliches Panorama. Dies war kein normales Verhalten für Alex, das wusste Guinievaire natürlich, weil ihm derart heftige Gefühlsregungen üblicherweise vollkommen fern lagen: bisher hatte er sie nur ein einziges Mal angeschrien und damals hatte er einen hervorragenden Grund dazu gehabt. Eine einzige Träne hatte er einmal in ihrer Gegenwart vergossen und seine leidenschaftlichen Liebesbekundungen waren ebenso selten gewesen wie Momente intensiver, mitteilsamer Vertrautheit. Was auch immer ihren geliebten Mann quälte, es musste also schrecklich für ihn sein und zugleich würde es ausgesprochen schwierig für sie werden, zu erfahren, was ihn umtrieb. Er war nun einmal kein Mensch, der das Herz auf der Zunge trug.
Behutsam schloss sie dennoch zu Alexander auf. Der Ausblick von hier oben war tatsächlich spektakulär selbst in Guinievaires Ermessen, wo sie doch kein großer Freund der Natur war. Die Felder und die kleinen Häuser und die Wälder waren jedoch allesamt der lange erwartete Beweis dafür, dass sie wieder in ihrem geliebten England war und schon bald nach London zurückkehren sollte.
„Liebling?“ begann sie vorsichtig, legte eine Hand auf seinen kühlen Arm und neigte den Kopf auf die Seite. „Alex, was hast du?“
Er antwortete ihr nicht und er sah sie noch nicht einmal an, er verschränkte lediglich kühl die Arme und schwieg weiter. Kaum konnte sie diesen Anblick ertragen, wohl weil er ihr ungeheuerlich schnell ausgesprochen ungewohnt geworden war, denn ihr Alex hatte sie angebetet in letzter Zeit und niemals von ihr fort gesehen. War er etwa böse auf sie? War sie ihm denn nicht eine perfekte Ehefrau gewesen, Tag um Tag?
„Alex, bitte, sprich mit mir,“ bettelte sie weiter.
Meist war es aussichtslos, zu versuchen, ihm seine Gefühle zu entlocken, aber Guinievaire verlieh ihrer Stimme einen unmöglich weinerlichen Tonfall und er konnte ihr selten etwas abschlagen, wenn sie ihn regelrecht anflehte. Eine kurze Sekunde zögerte er dennoch, während sie die spitzen Finger tiefer in sein Fleisch bohrte, dann wandte er endlich den Blick von der herrlichen Szenerie, um sie aus seinen schönen, schwarzen Augen beunruhigt anzusehen.
„Wenn wir wieder zu Hause sind, dann wirst du ihn wiedersehen,“ sagte er nüchtern, dann blickte er wieder geradeaus.
Es ging also um Tony, wurde nun offenbar, und Guinievaire war beinahe erleichtert, dass ihr Mann dieses Thema endlich zur Sprache brachte, denn seitdem sie sich verlobt hatten, schien er die Existenz ihres früheren Verlobten vollkommen vergessen zu haben und ihr selbst wäre es niemals gestattet gewesen, von sich aus mit Alex über ihn zu sprechen, dabei hätte sie ihm so viel über ihn und ihre gemeinsame Geschichte erklären wollen. Dass Alex nun an ihr und ihrer aufrichtigen Liebe zweifelte, dies war allein ihre Schuld, immerhin hatte sie ihm unendlich lange vorgespielt, wie sehr sie Tony liebte, einzig um ihn zu quälen und zu provozieren.
Schuldbewusst zog sie beide Augenbrauen zusammen. „Ich will ihn aber nicht wiedersehen,“ beteuerte sie, wobei diese Aussage nicht voll und ganz der Wahrheit entsprach. Sie wollte Tony wiedersehen, wenn sie wieder in London war, wie sie es sich schon zahlreiche Male ausgemalt hatte, in den Armen ihres Ehemannes und dann sollte er sehen, was er aus unerfindlichen Gründen aufgegeben hatte und es sollte ihn reuen bis ans Ende seiner kläglichen Tage.
„Aber das wirst du,“ erwiderte Alex stur. „London ist nicht mehr als ein Dorf.“
Guinievaire schüttelte heftig den Kopf. „Ich werde nicht mit ihm sprechen, Liebling. Ich werde ihn einfach ignorieren,“ versprach sie, aber sie konnte sich dabei noch nicht einmal sicher sein, ob ihr Mann ihr überhaupt zuhörte. Eiskalt ließ er sie stehen und entfernte sich ein weiteres Mal einige weite Schritte von ihr. Nach einer langen, qualvollen Pause, in der Guinievaire ihn musterte und Alex auf seine Füße starrte, sah er sie endlich wieder an.
„Wirst du mich verlassen und mit ihm fliehen und ihn in einem weit entfernten Land heiraten, Guinievaire?“ wollte er wissen. Er klang kühl, aber
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