Ein silbernes Hufeisen
Angewohnheit werden. Er wollte sie so schätzen, wie sie nun einmal war. Zugleich musste er es jedoch einräumen, er war vielleicht etwas eifersüchtig, was natürlich absolut lächerlich war, denn er gab diesem Mädchen nicht mehr als Reitstunden, und Eifersucht war eine dumme, unvernünftige Emotion. Dennoch, er war verliebt in sie und er wollte ihre Aufmerksamkeit.
Guinievaire machte ein ungeduldiges Geräusch und warf dabei die Hände erschöpft in die Höhe. „Und nun versuchen Sie also, eine Hure aus mir zu machen,“ klagte sie. „Mr Ford, Sie werden mir noch tausende von Reitstunden geben müssen, also warum können Sie mir nicht zumindest mit etwas Freundlichkeit begegnen oder würden Sie dann gar den Respekt Ihrer prätentiösen Freunde verlieren?“
Sie glaubte, er mochte sie nicht? Wie konnte das sein? Tony dachte inzwischen fieberhaft darüber nach, wie er diese grausige Situation retten konnte, denn er hielt sie keinesfalls für eine Hure, um Himmels Willen, nichts lag ihm ferner. Bei ihrem Freund handelte es sich nun einmal unbestreitbar um ein Individuum mit zweifelhaftem Ruf.
„ Aber ich mag Sie sehr wohl!“ rief Tony eilig. Er mochte sie sogar viel mehr als es ihm gut tat.
„ Wieso zum Teufel behandeln Sie mich dann ständig derart seltsam? Sie reden mit mir, als wäre ich ein Kleinkind und manchmal könnte man meinen, Sie hielten mich für giftig,“ gab Guinievaire ebenso schnell zurück, wobei sie tatsächlich ratlos klang. Als könnte Tony ihr eine offene Antwort geben auf diese komplizierte Frage! Sie würde lachen über ihn!
Wenn sie doch nur wüsste, warum sie ausgerechnet ihren Reitlehrer so behandelte! Was tat sie hier bloß? Und was zum Teufel hatte er mit ihr angestellt? Sie war die Eiskönigin, und die Menschen hatten sie ganz bestimmt nicht ohne Grund mit diesem hübschen Namen bedacht: sie hielt ihr Umfeld stets auf Distanz, jeden einzelnen ihrer Freunde sogar bis auf Vicky und natürlich auch Alex. Warum nur hatte sie also diese merkwürdige Schwäche für Anthony Ford und warum scherte sie sich sogar um das Bild, das er von ihr hatte? Immerhin täuschte ganz London sich in ihr schon seit einer langen Zeit, viele hier in dieser Stadt glaubten, sie sei dumm und oberflächlich und ebenso viele hielten sie für eine Hure. Bisher hatte diese Tatsache sie jedoch niemals gekümmert.
„ Seien Sie doch nicht so naiv!“ rief er ihr verzweifelt zu.
Nun, war sie etwa naiv? War es wirklich so offensichtlich, was er von ihr wollte und warum er sich derart absonderlich betrug? Nein, beschloss sie stur, denn er machte es ganz und gar nicht offensichtlich. Er war nur ein Mann und eigentlich kannte Guinievaire Männer besser als es ihr lieb war – für gewöhnlich waren sie nicht so subtil wie Tony. Aber war Tony wirklich bloß subtil oder war er schlicht und einfach nicht interessiert an ihr? Er versuchte niemals, mit ihr zu flirten und er wahrte immer die angemessene Distanz zu ihr. Er war ihr Reitlehrer, er hatte so viele Gelegenheiten dazu und dennoch rührte er sie niemals an, wenn sie ihn nicht zornig dazu brachte. Wie konnte er es wagen, sie zu verschmähen und wie konnte er sie nicht wollen? Er wäre der Erste, beinahe, weswegen Guinievaire seit der ersten Minute wild dazu entschlossen war, ihn dazu zu bringen, sie anzubeten.
„ Ich bin nicht naiv,“ konterte sie trotzig, daraufhin senkte sie die Stimme etwas, um vorsichtig zu sein. „Ich bin lediglich etwas empfindlich, was Sie anbelangt. Ich glaube, ich bin ein wenig verliebt in Sie.“
Peinlich berührt starrte Guinievaire auf dieses Geständnis hin einen Moment lang verwirrt auf den Boden, dann fing sie seinen Blick wieder auf. Warum hatte sie ihm das gesagt? Es stimmte unglücklicherweise, sie war ein wenig verliebt in ihn oder sie glaubte zumindest, dass sie das war. Tatsächlich hatte sie auf diesem Gebiet keinerlei vorherige Erfahrung: sie hatte noch niemals derart harmlose, milde, angenehme Gefühle für einen Menschen empfunden. Manchmal dachte sie an ihn, aber es war nichts Besonderes, oder war es das? Sie hätte es ihm nicht sagen sollen, niemals.
Tony sah sie aus seinen klugen Mandelaugen hinter dem drahtigen Haar verblüfft an, wobei sie sich selbst verfluchte, weil sie fand, dass er gut aussah, meistens. Dabei war er nicht attraktiv auf jene Art, die sie üblicherweise bevorzugte: er war nicht schön, er war noch nicht einmal hübsch. Aber er war attraktiv und interessant, dies war nichts, dessen sie sich
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