Ein silbernes Hufeisen
Ewig der einzige Kuss zwischen ihnen bleiben. Vielleicht küsste er sie wach aus ihrem Wahn und sie kam wieder zur Besinnung? Tony schob die vielen Gedanken fort von sich, die ihn nun noch ablenkten. Endlich berührte seine Nase schließlich ihre Wange, und als er die seinen auf die ihren legte, da waren ihre Lippen klein und sehr weich. Er war vorsichtig – er wollte sich ihr trotz der erteilten Erlaubnis nicht aufdrängen – aber schon nach kurzer Zeit konnte er ihre kühlen Fingerspitzen auf seinem Kiefer fühlen. Sie wollte es also auch, zuckte es ihm durch den Kopf. Dies war zweifellos der Himmel, so sehr, dass Tony für einen Moment aufhören musste, um sich ihrer noch einmal zu vergewissern. Er konnte nicht glauben, dass dies gerade wirklich passierte, aber das tat es: Guinievaire stand direkt vor ihm und sie lächelte und dabei sah sie unglaublich schön aus, und Tony war derweil so heftig verliebt in sie in diesem Augenblick, dass er fest davon überzeugt war, dass diese Sekunden die unbestreitbar besten seines Lebens waren. Wie konnte es auch anders sein, um Himmels Willen, wo er doch gerade Guinievaire Hastings geküsst hatte? Auf Knien wollte er ihr für diese eine, winzige, herrliche Chance danken.
„ Das war besser als erwartet,“ wisperte sie, während ihr Blick auf seinem Gesicht haftete.
„ Danke,“ entgegnete Tony etwas unsicher.
„ Küssen Sie mich noch einmal, nur um sicher zu gehen,“ forderte sie weiter und darum musste sie ihn selbstverständlich kein zweites Mal bitten. Diesmal war Tony etwas wagemutiger als beim ersten Mal, deswegen legte er behutsam die Hand auf ihre Hüfte unter dem schweren Kleid und er ließ sich viel Zeit, bis sie es diesmal war, die ihn sanft von sich drückte. Selbst wenn Tony sie ganz und gar nicht gerne losließ, er entsprach natürlich ihrem Wunsch und trat voller Glück einen kleinen Schritt zurück.
„ Was sagen Sie?“ erkundigte er sich mit zitternder Stimme. Warum nur hatte er das Gefühl, unendlich viel mehr aufgeregter zu sein als sie?
„ Das war wirklich nicht schlecht,“ lobte Guinievaire, wobei ihre Augen herrlich funkelten, dann jedoch panisch in die Ferne flackerten.
Verdammt, dachte sie dabei. Er sah sie an und sie fühlte etwas, oder etwa nicht? Doch, da war definitiv etwas, aber was es war, das wusste sie nach wie vor nicht mit Sicherheit. Nun musste sie wohl bezahlen, es geschah ihr im Grunde sogar recht, denn sie hatte ihn herausgefordert. Dabei hatte sie jedoch niemals beabsichtigt, dass auch sie davon betroffen sein sollte, dass sie ihm ein wenig den Kopf verdrehte. Und nun pochte ihr Herz doch auf eine merkwürdig angenehme Art und Weise, während eine kluge Stimme in ihrem Kopf sie vollkommen zurecht sehr laut anschrie. Niemals wieder durfte dies geschehen, mahnte sie sich streng.
„ Aber hat es auch etwas zu bedeuten für uns?“ fragte er mit jenem hinreißend unschuldigen Kinderblick zufrieden und überglücklich. Dabei hatte er sie doch bloß zweimal küssen dürfen, wie konnte es sein, dass er bereits in den Wolken schwebte? Wieder einmal war Guinievaire verwirrt von Tonys Verhalten und verfluchte ihn dafür, als ob er wüsste, dass er sie reizte mit seiner Zurückhaltung.
„ Ich denke, das tut es,“ murmelte sie etwas abwesend.
Er fasste sie inzwischen noch nicht einmal mehr an, was zum Teufel hatte dies zu bedeuten? Er wollte sie und er wollte sie scheinbar auch wieder nicht. Wie er sie verrückt machte mit seinem Verhalten! Sie war betrunken, schloss Guinievaire schließlich, und morgen würde sie alles, was geschehen war und noch geschehen würde, nahm sie sich nicht endlich zurück, schrecklich bereuen.
„ Wenn wir uns also bei der nächsten Stunde sehen,“ begann Tony derweil wieder vorsichtig, woraufhin Guinievaire gerührt lächelte, jedoch keine Antwort zu geben vermochte, die ihn zufrieden stellen konnte.
„ Dann wirst du mir hoffentlich endlich etwas zugetaner sein,“ erwiderte sie also recht vage, wobei sie sich mittlerweile sehr schlecht fühlte aus vielerlei Gründen.
Tony griff jedoch unbeirrt nach ihrer Hand und küsste galant den Handrücken. Ungläubig sah sie ihm zu. „Ich freue mich schon darauf,“ erklärte er.
„ Ich muss gehen,“ war Guinievaires wenig originelle, ganz und gar nicht zärtliche Antwort, denn gerade war ihr eingefallen, dass zehn Minuten ganz bestimmt schon lange vergangen waren, Alex wartete also auf sie, und er durfte sich keinesfalls auf die Suche nach ihr begeben,
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