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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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Zehnnägel. Sie trug keine Schuhe und ihre Füße, die lang und dünn waren, lugten unter ihrem fleckenlosen Saum hervor. Ihr Haar war hoch gesteckt und hatte eine spektakuläre Farbe irgendwo zwischen Rosen- und Erdbeerrot, und aus einem Paar moosgrüner Augen unter geradezu durchsichtigen Lidern sah sie ihn skeptisch an. Ihre bleichen Augenbrauen zuckten und ihre rosafarbenen Lippen öffneten sich leicht, dahinter saß eine Reihe gerader, winzig kleiner Zähne.
    „Ich dachte, niemand dürfe zu mir,“ sagte sie verwirrt. Ihre Stimme war tief, nicht sehr hübsch und sie schien nicht zu ihr zu passen, aber den Gesamteindruck konnte sie dennoch nicht zerstören.
    Durchaus leicht beeindruckt steckte Marion die schmutzigen Hände in die Hosentaschen. „Ich dachte, du könntest etwas Gesellschaft gebrauchen,“ meinte er unbekümmert. „Also, hier bin ich,“ fügte er dann mit einer weiten Geste hinzu, während er sich ungefragt auf ihrem dunklen Bett niederließ. Missfallen sprach deshalb aus ihren schönen Augen, aber Marion ließ sich nicht von ihr verängstigen. Sicherlich war sie hübsch, aber sie war zugleich auch bloß ein Mädchen, bloß ein Mensch und sie war nichts Besseres als er. Sollte sie das glauben, dann konnte er sie in diesem Zimmer verrotten lassen, wenn er es wünschte.
    „Und wer bist du?“ verlangte sie zweifelnden Tones zu wissen. Dabei neigte sie den Kopf und ihre teuren Ohrringe klimperten.
    „Ich bin der Gärtner,“ eröffnete er ihr einfach. Meistens mochte er es nicht, wie dieser Satz aus seinem Munde klang, und auch diesmal erging es ihm nicht anders, denn Marion fand, er war im Grunde vieles mehr als nur die Arbeit, der er nachging, aber für sie spielte seine Persönlichkeit keine Rolle. Sicherlich hatte sie sich in ihrem ganzen Leben noch nicht einmal einen einzigen Gärtner aus der Nähe ansehen müssen. Sie verdrehte die Augen.
    „Ich hatte eigentlich nach deinem Namen gefragt,“ stellte sie klar.
    „Marion,“ antwortete Marion also. Sie grinste.
    „Das ist ein Mädchenname,“ befand sie gut amüsiert. Um ihren Hals baumelte eine kleine, silberne Kette mit einem Anhänger, der sich bei näherer Betrachtung als ein mit Diamanten besetztes Hufeisen entpuppte. So simpel wie dieses Schmuckstück war, wollte es nicht ganz zum Rest ihrer schönen Erscheinung passen, aber es lenkte den Blick bequemerweise in ihr Dekolleté, welches wiederum ein absolut erfreulicher Anblick war. Verdammt, sie war hübsch. Sicherlich hatte sie die unartigsten Dinge in London angestellt.
    „Ist dein Name denn besser?“ konterte er schnell, woraufhin sie ihn kurz ansah, dann blickte sie durch die Fenster auf den Garten herunter, wo es bereits dämmerte.
    „Ist es schon warm draußen?“ wechselte sie dabei urplötzlich das Thema und Marion fand sie derweil ausgesprochen interessant. Er würde wohl definitiv öfter kommen müssen von nun an.
    „Im Moment ist es das noch nicht besonders,“ erklärte er mit einem Nicken. „Aber wir werden trotzdem einen frühen Frühling bekommen.“
    „Woher willst du das wissen?“ wunderte sie sich, während sie sich erhob. Sie war recht groß für ein Mädchen, ließ sich dabei feststellen, aber sie war nicht größer als er. Langsamen Schrittes ging sie nun auf und ab, und während er ihre kleinen, wiegenden Schritte beobachtete, dachte er, dass es im Grunde genommen ein Verbrechen war, so etwas Hübsches einzusperren.
    „Ich erkenne es an den Pflanzen,“ sagte Marion sehr professionell. Beeindruckt hob sie daraufhin die etwas bleichen, perfekt geschwungenen Augenbrauen. „Willst du nichts essen?“ erkundigte er sich, immerhin hatte seine Mutter sich allein wegen ihr die Mühe eines weiteren Mahles gemacht, was ihr jedoch vermutlich vollkommen egal war. Denn dieses Mädchen kannte nur jenes Essen, das bereits fertig angerichtet für sie auf teurem Porzellan lag, und die Menschen, die es für sie zubereitet hatten, bekam sie niemals zu Gesicht, und sie interessierten sie auch nicht. Wie Marion sie beneidete!
    „Nein,“ winkte sie sorglos ab. „Ich esse nur, wenn ich es nicht länger ertragen kann. Das ist ein Teil meines stummen Protests, verstehst du?“ Nun war sie sarkastisch geworden und damit noch weitaus interessanter für ihn, denn sie musste wohl ebenfalls unzufrieden sein und bitter und frustriert. Und zugleich war sie hilflos, ein dummes Kind, genau wie er.
    „Es war nett von dir, mich zu besuchen,“ bemerkte sie nach einer kleinen Weile,

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