Ein silbernes Hufeisen
Nachtleben konnte sie sicherlich noch etwas verstärken, und er würde durchaus positive Auswirkungen auf ihr ungeduldiges, zuweilen falsches Wesen haben: sie beide würden also voneinander profitieren. Sie würden sich nicht ständig streiten und niemals würde er sie betrügen. Alles könnte schrecklich einfach sein und dies war ein herrlicher Gedanke.
Als sie sich schließlich nach einem langen Kuss voneinander lösten, konnte Guinievaire ihm deshalb sogar ein beinahe überzeugtes Lächeln schenken, woraufhin er sanft über ihre kalte Wange strich und sich dann anschickte, ihr die feingliedrige Kette, die er für sie gekauft hatte, um den Hals zu legen, wo sie über einem sündhaft wertvollen Rubinhalsband ruhte, welches ein Geschenk ihres geliebten Freundes Alexander gewesen war. Dies war also eine Verlobung ganz ohne einen massiven Verlobungsring, wurde ihr dabei klar. Hätte man ihr noch vor einer lächerlichen Woche erzählt, dass sie einen derartigen Antrag annehmen würde, hätte sie laut darüber gelacht. Aber nun fand sie es sogar ein wenig rührend.
Tony küsste sie noch einmal, während Guinievaire trotz allem dachte, dass sie die Kette wieder abnehmen wollte, denn die Rubine, die sie schon zuvor getragen hatte, waren in Platin und Diamanten eingefasst, deren Klarheit wesentlich höher war als die der kleinen Steine, die Tonys Hufeisen säumten. Sie passten ganz einfach nicht zueinander.
„ Ich muss leider gehen,“ sagte Tony dann, während er ihr Kinn mit zwei Finger hielt und sie ihn weiterhin stumm und fassungslos ansah. „Das Stück fängt bald an.“ Guinievaire nickte.
Er küsste sie daraufhin noch ein weiteres Mal, aber diesmal tat er es nur recht kurz, wobei er offensichtlich überglücklich war, was wiederum Guinievaire etwas beunruhigte. Sollte sie nicht auch überglücklich sein in diesem Moment? Sie fühlte sich leer und rührte sich nicht, aber wann immer sie sich zuvor den Moment vorgestellt hatte, in dem sie den Heiratsantrag eines Mannes annahm, so war ihre Reaktion stets eine entschieden andere gewesen: sie hatte auf den glitzernden Ring gestarrt, auf dem ein rosa Diamant saß, hatte fassungslos gelächelt, dann hatte sie genickt, zunächst langsam und zurückhaltend, dann jedoch immer heftiger und schneller, und dann, während sie „Ja, Ja, Ja,“ wieder und wieder wiederholte, hatte sie die Arme um seinen weißen, schönen Hals geworfen, hatte seine perfekt geschwungenen Lippen geküsst und hatte vor Freude manchmal sogar geweint, wenn sie sich besonders heftig danach gesehnt hatte, dass er sie endlich fragte, wo er doch heute erst betont hatte, dass er es niemals tun würde, wenn sie ihn dazu drängte. Er wollte sie nicht und Tony wollte sie.
Schließlich erhob Letzterer sich und eilte die Treppe hinunter, um sich dann wieder hastig umzudrehen und einige Schritte rückwärts zu gehen, dabei grinste er hingerissen und winkte ihr zum Abschied wehmütig und Guinievaire winkte ebenfalls, wobei sie zugleich etwas neidisch war auf seinen sorglosen Überschwang. „Benimm dich,“ rief sie ihm scherzhaft zu, sehr wohl wissend, dass Tony dies immer tat.
Sobald er dann um die dunkle Ecke gebogen war und sie ihn nicht länger sehen konnte, erhob Guinievaire sich schnell von dem eisigen Untergrund der Treppen und schon im selben Augenblick griff sie nach dem kleinen Verschluss ihres neuen Geschenks, um es behutsam zu öffnen und dann ohne einen weiteren Blick in ihr Korsett gleiten zu lassen. Es passte ganz einfach nicht zu ihrem Geschmeide, dies war der einzige Grund, warum sie es gerade nicht tragen wollte, sagte sie sich selbst. Etwas erschöpft, sowohl von der Entscheidung, die sie soeben getroffen hatte, als auch von dem ganzen bisherigen, sehr langen Abend, erklomm sie dabei die flachen Stufen, vier an der Zahl, um dann kurz inne zu halten. Sie fror, dennoch lehnte sie sich mit beiden Ellbogen auf die raue Balustrade und sah hinab auf den penibel gemähten Rasen, der vor ihren Augen verschwamm. Sie war noch nicht dazu bereit, wieder unter all die neugierigen Menschen zu treten, bemerkte sie, denn sie befürchtete, sie würden ihr die plötzliche Verlobung sofort an der Nasenspitze ansehen können. Es erschien ihr immer noch halbwegs vernünftig, sich mit Tony verlobt zu haben, aber was würde Vicky dazu sagen, wenn sie es ihr erzählte? Cici lachte sie vermutlich aus deswegen und mit Sicherheit mussten sie und Tony zunächst einmal sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, bevor ihr
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