Ein sinnlicher Schuft
verstummte.
»Wir hießen unsere Schwester mit offenen Armen willkommen, denn wir würden niemals eine von uns in einer kulturell derart verödeten Gegend zurücklassen.« Er hob den Blick zum Himmel. »Und wir brauchen dringend eine Näherin.«
Pru runzelte die Stirn. »Ich hab dir doch gesagt, Monty, dass ich nich grade toll mit der Nadel…«
Pomme winkte ab. »Prudence, du bist eine professionelle Theaterschneiderin, Assistentin der großartigen Chantal Marchant. Bloß keine falsche Bescheidenheit.«
Colin winkte. »Entschuldigen Sie bitte, aber können wir vielleicht zu der Frage zurückkommen, ob Sie mir und dem Kind nicht doch helfen wollen?«
Erneut musterte Pomme Colin nicht gerade freundlich. »Es ist nicht unsere Art, über irgendwen zu Gericht zu sitzen, Sir. Doch wenn die geschädigte Partei eine von uns ist und der Beklagte nicht, denken wir uns üblicherweise einen kleinen, indes signifikanten Akt der Rache aus. Einverstanden?«
»Äh…« Das klang nicht gut. »Ich glaube nicht…«
»Also einverstanden? Prudence, was sagst du? Sollen wir ihm helfen oder ihn in dem Schlamassel sitzen lassen?«
Colin verkniff sich einen Kommentar, bedachte Miss Filby jedoch mit einem zornigen Blick, der ebenfalls Rache versprach.
Sie lächelte freundlich. Teufel noch mal. Colin wusste, was das zu bedeuten hatte.
»Wir müssen ihm helfen…«
Colin atmete erleichtert auf.
»Aber er muss für diese Hilfe singen.«
Jubelrufe und Lachen erklangen von den Wagen hinter ihnen. Colin blickte verzweifelt von Pomme zu Prudence. »Ich verstehe nicht. Singen? Was soll ich singen?« Das war doch bestimmt nicht wörtlich gemeint.
Pomme winkte ab. »Oh, darum werden wir uns später kümmern«, sagte er fröhlich. »Sind wir uns einig, Mr Lambert?«
Colin ließ seinen Blick über die lächelnde Gruppe wandern, über den extravaganten Pomme und Miss Filby mit diesem triumphierenden Glänzen in den Augen– und über seinen ruinierten Einspänner.
Er ließ die Schultern hängen. »Einverstanden.« Gott möge ihm beistehen, dass er sich nicht unwissentlich in eine peinliche Situation brachte.
Allerdings war er sich beim Anblick des schadenfrohen Grinsens dieser Miss Filby ziemlich sicher, dass genau das passieren würde.
Nachdem die »Troupe de Pomme«, wie sich das bunte Völkchen hochtrabend nannte, lachend den Einspänner auf den Bühnenwagen gehoben und den verwirrten Hector an dessen Ende angebunden hatte, nahmen alle wieder ihre Plätze ein, und die Karawane setzte sich erneut in Bewegung. Colin hielt absichtlich ein wenig Abstand zu Miss Filby und ihrem Bruder, während Melody – von keinen Zweifeln angekränkelt, sie könnte nicht willkommen sein – sich sofort an Evan kuschelte und ihm die neueste Geschichte von zerborstenen Piratenschiffen und sinkenden Kutschen erzählte. Der Junge verdrehte zwar die Augen, ließ das Kind zu Colins Erstaunen jedoch gewähren und schob es nicht von sich weg.
Als er bemerkte, dass auch Prudence Filby die beiden beobachtete, lächelte Colin ihr zu. »Sie wollte Sie beide unbedingt holen.«
Sie warf ihm einen ausdruckslosen Blick zu. »Ach ja?«
Colin räusperte sich. »Ich bin Ihnen dankbar– Sie wissen schon, für die Hilfe und…«
»Sie können reden, was Sie wollen«, sagte sie bestimmt. »Sie werden singen.«
Colin rieb sich den Nacken. »Also, da ist nur… Wissen Sie, ich kann nicht singen. Kein bisschen. Ich bin völlig unmusikalisch.«
Miss Filby lächelte. »Dann machen Sie eben was anderes. Jongliern Sie mit Feuer.«
»Was?«
Sie deutete mit dem Kinn auf einen jungen Mann, dessen Hände dick bandagiert waren. »Cam hier hat erzählt, er hätte vor ’n paar Tagen Probleme mit ’ner brennenden Axt gehabt.«
Cam salutierte zur Bestätigung mit einer weiß verbundenen Pranke. Colin schluckte. »Mit einer brennenden Axt, sagten Sie?«
Sie lächelte gnädig. »Ach, das werden Sie schnell draufhaben. Gibt nix Besseres als ein bisschen Feuer, um es Ihnen beizubringen.«
»Ich kenne ein Lied«, sagte Colin schnell. »Ein Trinklied. Aus der Zeit, als ich jünger war.« Es handelte sich eher um einen gebrüllten Sprechchor als um eine Melodie. Vielleicht würde er es ja schaffen.
Jetzt schüttelte sie kategorisch den Kopf. »Die spieln für Familien, und so’n Lied wird den Leuten nich gefallen.«
Die Art, wie sie es sagte, ließ Colin an wütende Bauern mit Mistgabeln und zornige, Kochlöffel schwingende Frauen denken. Er schauderte. Vielleicht war das mit
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