Ein sinnlicher Schuft
Schauspielern ein Zeichen. »Vergesst den Molière. Piraten, marsch!«, flüsterte er laut.
Stumm und mit eiligen, routinierten Handgriffen befreiten sich die Schauspieler von ihren Perücken und Schönheitspflästerchen und ersetzten sie durch grellfarbene Tücher und Augenklappen. Die Jungen kamen mit Schwertern und Scheiden angelaufen. Cam streckte seinen Arm aus, um eines entgegenzunehmen, und ein anderer Schauspieler befestigte einen ausgestopften Papagei auf seiner Schulter.
Im Nu hatten sie sich von parfümierten Höflingen in gnadenlose Piraten verwandelt. Pomme winkte sie zu Colin und Melody auf die Bühne. »Auf geht’s! Improvisiert, meine Lieben! Improvisiert!«
Als sich die Bühne plötzlich mit echten Piraten füllte, klatschte Melody begeistert in die Hände, doch Colin ließ sich keinen Augenblick ablenken. Er sprach weiter, selbst als er Melody hochhob und sie Pomme in die Arme drückte. »Hier vor Ihnen, verehrtes Publikum, sehen Sie den großen Kampf zwischen den grün gewandeten Piraten der Dishonor’s Plunder und den schwarz gekleideten Piraten der Black Kraken.«
Die Schauspieler vergewisserten sich durch einen kurzen Blick auf ihre Ärmel, zu welcher Mannschaft sie gehörten, und fingen dann sofort an, gegen ihre Gegner zu kämpfen.
Pomme lächelte selbstgefällig, während Pru beobachtete, wie Mr Lambert, dessen grüner Rock exakt die Farbe seiner Augen hatte, einem der gefallenen Piraten seine Waffe abnahm und Cam herausforderte.
Dessen Schwert steckte zwar ein bisschen schräg in seinen Bandagen, aber ansonsten spielte er, nicht zuletzt dank seiner Größe, die Rolle des schändlichen gegnerischen Kapitäns so überzeugend, dass er wie echt wirkte.
»Sie kämpften den ganzen Tag und die ganze Nacht, weil… weil…« Die Menge lauschte gebannt.
Denk nach, Mann! Denk nach!
»Weil die Prinzessin entführt worden war«, rief Melody von ihrem Beobachtungsposten hinter der Bühne.
Der Kampf der Piraten ebbte kurzfristig ab, denn alle bemerkten, dass nirgendwo eine Prinzessin zu sehen war. Etwas aus Spitze flatterte über Prus Kopf und nahm ihr die Sicht. Sie blickte auf und sah, dass Pomme ihr einen spanischen Kopfputz auf die hochgesteckten Haare gelegt hatte. Er lächelte über ihren überraschten Gesichtsausdruck und drückte den Kamm entschlossen fest. »Du bist dran, Prudence.«
Und dann stieß er sie durch den Vorhang auf die Bühne.
Aus den Augenwinkeln sah Colin, wie Prudence recht gewaltsam nach vorn geschubst wurde. Sie stolperte ein wenig, als sie darum kämpfte, ihr Gesicht von einer schwarzen Spitzenmantilla zu befreien.
Weil sie dadurch mitten ins Getümmel der kämpfenden Piraten geriet, eilte Colin an ihre Seite, bevor sie womöglich unversehens von einem der Blechschwerter getroffen wurde. »Passen Sie auf!«, flüsterte er und schob sie hinter sich.
Im gleichen Moment machte Cam einen Salto über sie beide hinweg und landete mit dramatisch ausgestrecktem Schwert hinter ihnen auf den Füßen. »Rückt meinen Preis heraus, Käpt’n Jack! Sie gehört mir, sage ich Euch!«
Pru kreischte ängstlich auf und wich nach links zurück. »Oh, ich flehe Euch an, Käpt’n Jack!« Sie rang die Hände. »Rettet mich vor dem üblen Schurken…«
»Der schwarze Pete wird Euch nicht bekommen, meine Prinzessin!« Colin bemühte sich redlich, während er mit Cam focht. Im Wesentlichen tanzten beide eifrig vor und zurück und schlugen die Schwerter mit viel Gepolter, aber ohne nennenswerten Nutzen gegeneinander, was die Zuschauer tief beeindruckte. Colin hatte einen Riesenspaß.
Um ihn herum starben die Piraten wie die Fliegen. Er sah, dass Melody inzwischen auf Pommes Schultern saß und von der Seite der Bühne zuschaute. Colin winkte ihr zu, und sie erwiderte glücklich den Gruß, genoss es offensichtlich, dass ihre Gutenachtgeschichte zum Leben erweckt wurde.
Dann holte Cam zu einem wilden Schlag aus. Colin spürte, wie das Schwert ihn irgendwie am Zwerchfell traf. Zwar vermochte es keinen ernsthaften Schaden anzurichten, doch es reichte, dass ihm die Luft wegblieb. Er taumelte und stürzte auf die Knie.
»Tut mir leid, Kumpel«, murmelte Cam, als er sich über ihn beugte. »Da war der blöde Verband dran schuld.« Dann trat er vor Colin und verbarg ihn vor dem Publikum, während er die Prinzessin in seine Arme riss. »Jetzt gehört Ihr mir, Prinzessin!« Er stieß ein höhnisches Lachen aus. »Ich hab Euch gewonnen! In einem fairen Kampf.«
»Weh mir«, lamentierte Miss
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