Ein sinnlicher Schuft
Pru zu lachen. Sie bebte immer noch, als Colin, gestützt von einem stämmigen Dorfbewohner, eintrat.
»Bailiwick. Gut, Sie zu sehen«, sagte Colin fröhlich. »Wissen Sie schon, dass ich von Opiumhändlern gekidnappt wurde? Das war alles sehr aufregend.«
»Ja, Sir Colin. Ein richtiges Abenteuer«, antwortete Bailiwick.
Pru erstarrte.
Lady Melody. Sir Colin.
»Könnten Sie bitte gehen und die Kinder holen, Bailiwick? Ich mag es nicht, wenn ich Melody nicht im Blick habe.«
Der Lakai nickte. »Ja, Sir. Aber die beiden sind erst vor zwei Stunden eingeschlafen. Ich geh und halte Wache, während Sie sich ein bisschen ausruhen. In Ordnung?«
Colin winkte. »Ja, danke.« Dann schien er Pru zum ersten Mal zu sehen. »Miss Filby! Sie brauchen ein Bad!«
Sein gut gelaunter Vorwurf verfehlte seine Wirkung. »Wie Sie selbst, Sir Colin.«
Der Mann, der ihn stützte, brach in lautes Gelächter aus. »Ich werd auch grad dreckig. Schweinescheiße scheint ansteckend zu sein.«
»Dann heiße Bäder für alle!« Colin grub in seiner Westentasche nach einer Münze. Vergeblich. »Bailiwick, hat Wilberforce Ihnen vielleicht ein wenig Kleingeld mitgegeben? Ich scheine ausgeraubt worden zu sein.«
»Ich habe zwei Guineen, Sir«, sagte Bailiwick stolz. »Eine für Sie und eine für Lady Melody.«
»Guter Mann.« Er grinste auf Pru hinab. »Miss Filby, ich befehle Ihnen, ebenfalls ein Bad zu nehmen.« Ein verträumter Ausdruck trat in seine Augen. »Sie baden doch gerne. Ich erinnere mich daran, wie Sie damals in diesem Bach…«
»Bailiwick, sehen Sie bitte nach den Kindern«, rief sie, bevor er weiterreden konnte, um dann die beiden Männer anzuweisen, Colin nach oben zu bringen. »Sie da, bringen Sie Sir Colin auf ein Zimmer und lassen Sie für uns alle Bäder bereiten.«
»Ist es nicht nett, wenn sie so hochgestochen daherredet? Man könnte fast meinen, sie hätte ihr ganzes Leben so gesprochen…« Colins munteres Geplapper verklang in der Ferne. Pru schloss die Augen und hoffte, dass die Röte in ihrem Gesicht sich nicht weiter ausbreitete.
Und dass Sir Colin bald die Folgen des Opiumrauschs würde ganz überwunden haben.
Sie beeilte sich mit ihrem Bad, obwohl sie sich danach sehnte, mal so richtig ausgiebig im warmen Wasser zu liegen. Aber da die Kinder bald zurück sein würden, wollte sie noch einiges vorbereiten. Auch eine Erklärung beispielsweise, was hier geschehen war und warum Mr Lambert, der plötzlich Sir Colin hieß, sich recht merkwürdig benahm.
Dabei wünschte sie sich selbst ein paar Erläuterungen, doch das war wohl einem Dienstboten gegenüber nicht üblich. Sie war schließlich ein Niemand, dachte sie voller Bitterkeit.
Nachdem sie ihr Haar einigermaßen getrocknet und zu einem Knoten geschlungen hatte, schlüpfte sie in ihr vorletztes sauberes Kleid. Blau, einfacher Schnitt, passend für ein Dienstmädchen oder eine Näherin.
Es fiel ihr zunehmend schwerer, sich in solche Sachen zu kleiden, und immer weniger konnte sie sich daran erinnern, warum sie das eigentlich tat.
Aus dem Nachbarzimmer hörte sie ein Krachen, gefolgt von einem Fluch. Dann nur noch eine vertraute tiefe Stimme, die neuerdings lauter profane oder peinliche Dinge von sich gab. Sie ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt, um hinauszuspähen. Im Flur war niemand zu sehen. Rasch eilte sie zur Tür des Nebenzimmers und klopfte leise an. »Mr…« Ach verdammt! Würde sie sich nie dran gewöhnen? »Sir Colin? Ist alles in Ordnung?«
»Verdammtes… Daran ist nur…« Die restlichen Worte gingen in unverständlichem Gemurmel unter.
Pru drückte den Türgriff nach unten und öffnete die Tür. »Sir?«
»Pru? Komm rein! Komm rein!«
Sie trat ein und erkannte sofort, dass sie es besser nicht getan hätte. Sir Colin lag ausgestreckt neben dem Badezuber, vollkommen nackt bis auf ein vorteilhaft drapiertes Handtuch, das allerdings sogleich verrutschte.
Einunddreißigstes Kapitel
C olin rollte sich auf den Rücken und schaute zu Pru auf. »Jetzt weiß ich, wie Gordy Anne sich fühlt.«
»Gordy Anne«, murmelte Pru, während sie sich bückte, um ihm aufzuhelfen, »ist viel zu intelligent, um sich in so eine Klemme zu bringen.«
Sieh nicht hin! Sieh nicht hin!
»Klemme? Von Opiumhändlern angegriffen zu werden, nennst du sich in eine Klemme bringen?«
»Wenn Sie bei uns geblieben wären, wo Sie hingehörten, hätten Sie die Opiumhändler gar nicht erst getroffen.«
Er schüttelte den Kopf, wobei die Bewegung noch recht
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