Ein sinnlicher Schuft
erlebt.«
Pru taumelte mit erhobenen Händen und Manx’ Pranke auf ihrem Arm in den Hof hinaus, während zwei andere Männer Colin nach draußen führten. Da standen sie dann und sahen sich einer schier unglaublichen Bauernarmee gegenüber. Es war ein Wald aus Mistgabeln und Äxten und Schaufeln sowie flackernden Fackeln und angeführt von einem Dämon auf einem monströsen Ross.
Neben ihr atmete Manx hörbar aus. »Alle Wetter, anscheinend lieben die Leute ihr Bier über alles.«
Während die Pferde herausgebracht wurden, trat Gaffin zu Pru und Colin. »Lasst sie los. Wir müssen weg.« Er eilte zu seinem Pferd und saß auf. Als er an Pru vorbeiritt, tippte er sich mit der Fingerspitze an den Hutrand und nickte ihr vornehm zu. »Guten Morgen, Miss Filby.«
Colin wurde weit weniger zuvorkommend verabschiedet, denn Gaffins Männer stießen ihn in ein Schlammloch, in dem sich sonst die Schweine suhlten. Pru rannte sogleich zu ihm hinüber, beugte sich über den niedrigen Lattenzaun. »Reichen Sie mir die Hand«, forderte sie ihn auf.
Er starrte sie bloß finster an, während er versuchte, sich zumindest auf alle viere zu erheben. Aber seine Knie rutschten weg, und er landete erneut bäuchlings im Morast. »Zum Teufel!«
»Colin, nimm meine Hand«, befahl Pru.
Sein Kopf fuhr herum, und er fixierte sie mit einer solchen Wut im Blick, dass sie zurückwich. »Wie konnten Sie… dieser Hyäne erzählen, dass sie nach Blackpool unterwegs ist?«
Fluchend rappelte er sich ungeschickt wieder auf. »Ich hätte selbst daran denken sollen. Sie hat mir davon erzählt, von ihrem Leben dort und wie schlecht sie behandelt wurde. Wie sie dann mit einer fahrenden Theatergruppe nach London geflohen ist…«
Wieder landete er im Matsch, und dieses Mal blieb er liegen, rollte sich bloß auf den Rücken und schaute sie anklagend an. »Wenn Sie es wussten, warum haben Sie es dann nicht mir gesagt?«
Pru stützte die Ellbogen auf den Zaun und legte das Kinn in ihre verschränkten Finger. »Weil Chantal gar nicht auf dem Weg nach Blackpool ist.« Sie lächelte über die Verwirrung in seinem Blick. Es war vorbei, und er war wach und unverletzt und ihre Erleichterung so groß, dass sie glaubte fliegen zu können.
»Ist sie nicht?«
Sein Zorn war wie weggeblasen, machte einer neuen vagen Hoffnung Platz, was Prus Freude über seine Genesung ein wenig trübte. Wieso, fragte sie sich immer wieder.
»Nein, ist sie nicht. Chantal Marchant ist genau dort, wohin sie gehen wollte, als sie mir vor einer knappen Woche von ihren Plänen erzählte. Nur hab ich nicht richtig zugehört.«
Sie schaute auf den attraktiven, wohlhabenden, freundlichen und großzügigen Mann, der vor ihr im Schweinekot lag. Diese verdammte, nichtsnutzige Chantal würde am Ende gewinnen, weil sie, die ehrliche Pru, Colin Lambert nicht anlügen konnte. Nicht einmal, um ihn vor sich selbst zu retten.
Sie holte tief Luft. »Chantal ist nach Bath gefahren. Zur Kur.«
Dreißigstes Kapitel
D ie Auseinandersetzung, die zweifellos bei den Einheimischen in die Lokalgeschichte als die »Schlacht ums Bier« eingehen würde, war vorüber. Die Dorfbewohner standen in Grüppchen zusammen, verglichen ihre Mistgabeln und tauschten Lügengeschichten aus, die von Sekunde zu Sekunde fantasievoller wurden.
Pru drängte sich durch die Menge ins Gasthaus und erblickte Olive, die auf ihr drängendes Zeichen hin sofort zu ihr herübereilte. Ihr zweitbester Krug wurde gefüllt, und ihr rundes Gesicht strahlte triumphierend.
Pru hatte keine Zeit für gegenseitige Gratulationen. »Hast du die Kinder gefunden? Ich hab sie zum nächsten Bauernhof die Straße runtergeschickt.«
Der riesige junge Mann, der den Angriff angeführt hatte, trat vor. »Lady Melody und der Junge waren bei mir. Hab sie letzte Nacht während des Sturms in der alten Klosterruine gefunden. Jetzt sind sie bei der alten Mutter der Wirtin.«
Vor lauter Erleichterung ließ Pru sich auf einen Stuhl sinken. »Sind Sie in Ordnung, Miss? Sie sehen verdammt blass aus.«
Sie lächelte schwach zu dem großen jungen Mann hoch. »Danke.« Dann runzelte sie die Stirn. Lady Melody? Sie betrachtete ihn genauer und sah, dass er anders gekleidet war als die Leute aus dem Dorf. »Wer sind Sie, Sir?«
Er plusterte sich ein bisschen auf. »Ich bin Bailiwick, Miss. Dritter Lakai im Brown’s Gentlemen Club in London.«
Billywick. »Himmel«, hauchte sie. »In der Tat, der bestmögliche Service.«
Den Kopf in die Hände gestützt begann
Weitere Kostenlose Bücher