Ein sinnlicher Schuft
Kraft, seine Pupillen unter Kontrolle zu halten. »Verstehst du jetzt, warum es so wichtig ist, sie aufzutreiben?«
Pru nickte langsam. »Um sie wegen Melody zu fragen.«
»Ja. Und um sie zu heiraten.«
Pru wich zurück. »Benutzen Sie Melody, um Chantal zu einer Heirat zu zwingen?«
»Nein, das Problem ist ein anderes. Wie soll ich das erklären, dass ich Chantal brauche?«
Pru versteifte sich. »Sie sind geradezu verrückt nach ihr.«
»Nein, nein, nicht mehr. Ich sehe jetzt, dass sie… nicht die Frau ist, für die ich sie gehalten habe.«
»Warum dann?«
Er ließ den Kopf in den Nacken fallen. »Ich kann nicht… O Gott, es fällt mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen…« Er schaute sie an und zog sie näher zu sich heran. Die Intensität seiner grünen Augen raubte ihr den Atem.
»Melody ist ein…, nun ein Bastard.« Er sagte es, als könnte er es kaum ertragen, das Wort auszusprechen. »Ich muss das in Ordnung bringen, sie zu einem Teil der Gesellschaft machen und sie nicht bloß als uneheliches Kind anerkennen…«
So war das also. Die Nebel über dem Geheimnis lichteten sich, aber Pru hatte das Gefühl, es würde ihr das Herz zerreißen. Es bedeutete das Ende aller Hoffnungen für sie, denn es ging allein um Melody. Chantal war nur ein Mittel zum Zweck, ein unabdingbares allerdings. »Sie können ihre Geburt legitimieren, indem sie Chantal heiraten.«
»Ich muss. Ich muss Chantal heiraten.«
Ja, so war es. Das steckte hinter seiner rastlosen, besessenen Suche nach der Frau, die er einst geliebt hatte. Er tat das alles, um der kleinen Melody gesellschaftliche Ächtung und Benachteiligung zu ersparen. Der Schatten der illegitimen Geburt ließ sich, wie einflussreich der Vater auch sein mochte, lediglich beseitigen, indem er die Mutter heiratete.
Chantal. Sie selbst war endgültig aus dem Rennen. Sie nickte, weil sie unfähig war zu sprechen.
»Verstehst du jetzt?«
Ja, sie verstand. Um Melody alles geben zu können, würde Colin sogar diese unmoralische Frau heiraten, die ihn wahrscheinlich für den Rest seines Lebens unglücklich machte.
Ich verstehe. Vor allem begreife ich jetzt, dass ich dich niemals haben kann, obwohl ich dich liebe.
Nein, es war besser, nichts zu sagen. Jetzt nicht und auch später nicht.
Nachdem sie Colin sauber und nackt ins Bett geholfen hatte, stieg Pru langsam die Treppe hinunter. Der Schankraum wirkte sauber und aufgeräumt. Sie lächelte Olive müde an. »Kommst du denn niemals zur Ruhe?«
»Wenn Rugg zurückkommt, soll alles in Ordnung sein. Ich will nich, dass er sich zu große Sorgen macht. Er erfährt von der Geschichte so oder so, aber wenn er den Trümmerhaufen mit eigenen Augen sehen tät, dann traut er sich nie wieder, mich hier allein zu lassen.«
Pru ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Du warst die ganze Nacht auf den Beinen. Setz dich wenigstens jetzt eine Weile hin.«
Die Wirtin schaute sich zufrieden um. »Wenn die neuen Bänke und das alles kommen, wird es richtig gut aussehen.« Sie zog sich den letzten Stuhl heran. »Als ich gesehn hab, wie die euch in den Keller warfen, da hab ich mir echt Sorgen gemacht. Dachte, die lassen euch da nie wieder raus.«
Pru schüttelte den Kopf. »War halb so schlimm, weil mich die Dunkelheit nicht stört.«
»Du hast diesen Gaffin ausgetrickst.« Olive schaute sie aufmerksam an. »Ganz schön clever. Wie bist du auf die Idee gekommen?«
Pru zuckte die Achseln. »Ich fand, mir blieb keine andere Wahl.« Als die Angst und die Wut und die Anspannung der letzten vierundzwanzig Stunden sich langsam legten, fühlte sie sich leer und müde bis auf die Knochen.
Olive schaute sie prüfend an. »Du bist kein Dienstmädchen, so viel steht fest«, sagte sie. »Siehst nich aus wie unsereins, sprichst nich so.«
Pru stieß einen langen Seufzer aus. »Nein, bin ich nicht. Ich bin gar nichts. Weder Fisch noch Fleisch.« Sie legte den Kopf auf ihre verschränkten Arme, als sie zärtlich abgearbeitete Hände berührten.
»Is ja alles vorbei, Liebes. Du kannst loslassen.«
Pru unterdrückte ein Schluchzen. »Aber was ist beim nächsten Mal? Was ist, wenn mir dann bei Gefahr nichts Tolles mehr einfällt? Oder beim übernächsten Mal? Was ist, wenn Evan etwas Schreckliches zustößt? Oder Melody?«
Oder Colin.
Olive lächelte. »Gar nix wird ihnen passieren. Denen geht’s gut. Komm, ich zeig dir was.« Die rundliche Wirtsfrau zog sie in die Küche, wo die Kinder am Feuer saßen. Evan zeigte Melody voller Stolz einen
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