Ein skandaloeser Kuss
Beispiel.
Aber ihre Wünsche gingen in eine ganz andere Richtung. „Ich möchte gerne Kinder haben.“
„Ich auch“, sagte er und stellte seine leere Teetasse ab. „Eines Tages, wenn ich nicht mehr auf Forschungsreisen gehe, werden mir hoffentlich welche beschert werden. Bis dahin kann ich keiner Frau zumuten, mich zu heiraten – in dem Wissen, dass sie ängstlich auf meine Wiederkehr wartet, beständig in der Sorge, dass ich vielleicht nicht mehr am Leben bin.“
So wie seine Mutter. So wie sie selbst warten würde, auf irgendeine Nachricht von ihm. „Sie könnten sie doch mitnehmen.“
„Die Zustände auf einem Schiff und die Entbehrungen einer solchen Reise würde ich keiner Frau zumuten wollen.“
„Und wenn die Frau bereit wäre, auf Sie zu warten?“
„Ich würde es ihr ausreden“, erwiderte er mit Nachdruck.
„Wen immer Sie erwählen, wann immer Sie es tun – die junge Dame kann sich sehr glücklich schätzen.“ Nell trank ihren Tee aus.
„Das wage ich zu bezweifeln.“ Er nahm ihr die Tasse ab und stellte sie zu der anderen auf das Büfett. „Ich bin ein Aristokrat mit einer Schwäche für Spinnen und habe zufällig ein Buch geschrieben, das im Moment in aller Munde ist. Nächstes Jahr oder nächsten Monat wird jemand anderer der Liebling der feinen Gesellschaft sein und ich der verschrobene Viscount Bromwell, der ich immer schon war.“
„Sie sind mehr als das!“, protestierte Nell entschieden. Er schien tatsächlich zu glauben, was er sagte – und das war ohne Zweifel ein Ergebnis der ignoranten Kritik seiner Umgebung, vor allem seines Vaters. „Sie sind ein freundlicher, großzügiger, mutiger Mann, dessen Gattin zu sein jede Frau stolz machen würde.“
Er legte den Kopf schräg und betrachtete sie genauso eingehend wie eine seiner Spinnen. „Würden Sie Ja sagen, wenn ich um Ihre Hand anhielte?“
Es war nicht wirklich ein Antrag, und selbst wenn – sie konnte ihn ohnehin nicht heiraten. Er verdiente eine begüterte junge Dame von Stand, die seine wissenschaftlichen Bemühungen unterstützte, ebenso wie er die Achtung und Anerkennung seiner Familie und seiner Kollegen verdiente. Das war so sicher wie die Tatsache, dass sie atmete und er Spinnen erforschte, auch wenn sie es gern anders gehabt hätte.
Trotzdem gab sie ihm eine ehrliche Antwort. „Jede Frau würde Ja sagen.“
„Jede?“
„Jede.“
Sie musste das Gespräch beenden, ehe sie noch etwas äußerte oder tat, das sie bereuen würde. „Wir sollten uns auf den Weg machen, Mylord.“
Er nickte und ließ sie nicht aus den Augen.
Sie stand da, wagte kaum zu atmen.
Dann machte er einen Schritt auf sie zu.
Sie näherte sich ihm.
Weil sie es nicht mehr aushielt. Obwohl es töricht und falsch war und ihr noch mehr Probleme bescheren würde, konnte sie nicht anders. Sie musste ihrem Verlangen nachgeben.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
9. KAPITEL
Jede Kultur und jede Gattung hat ihre einzigartigen Paarungsrituale, die doch alle nur dem einen Zweck dienen: der Fortpflanzung. Zusammen mit dem Bedürfnis nach Nahrung und Wasser, Geborgenheit und Wärme gehört sie zu den stärksten Trieben, die die Natur kennt.
– aus Das Spinnennetz von Lord Bromwell
E inen schrecklichen Moment lang hatte Nell Angst, dass sie einen fatalen Fehler beging, doch dann schlang Lord Bromwell die Arme um sie und erwiderte den Kuss mit glühender Leidenschaft. Er zog sie an sich, verlangte mit seiner Zunge fordernd Einlass in ihren Mund, und Nell fand, es sei die natürlichste Sache der Welt, dass ihre Lippen sich ihm öffneten.
Doch selbst diese enge Verbindung war ihr nicht genug. Sie wollte mehr Nähe, wollte seine Haut unter ihren Fingern spüren, wollte, dass er sie berührte.
Sie lehnte sich an ihn, zog ihm das Hemd aus dem Hosenbund und glitt mit der Hand unter den Stoff. Sanft und vorsichtig begann sie seinen erhitzten Körper zu erkunden, wanderte mit ihren Fingerspitzen an seinem Brustkorb hinauf und legte die Hand auf seine feste Brustwarze. Bei der Berührung wurden ihr die Knie weich, und als er sie plötzlich mit einer geschmeidigen Bewegung auf die Arme hob, schnappte sie nach Luft.
Er trug sie zu dem zerschlissenen Sofa und bettete sie behutsam darauf. Dann trat er zurück und betrachtete sie, und in diesem Moment war er nicht der beherrschte englische Gentleman, dessen Verhalten von den Regeln der Etikette diktiert wurde, sondern ein Held; ein Krieger, der Prüfungen bestanden hatte, von
Weitere Kostenlose Bücher