Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
flüchtige Berührung ihrer Lippen, mehr nicht, und ging ihm doch nicht aus dem Kopf. Eigentlich sollte es ihn zum Lachen bringen, dieses Verlangen, einen Blaustrumpf wie Susanna küssen zu wollen. Aber er lachte nicht. Er meinte immer noch den Limonenduft ihres Haares zu riechen, die volle Rundung ihres Busens zu spüren. Und dann sein absolut plumper Versuch, sie zu verführen! Er sollte sich wirklich Gedanken über seine Ungeschicklichkeit machen. Vor allem bei Susanna, die so völlig anders war. Sie ähnelte in keiner Weise den Frauen, die er normalerweise zu umgarnen und zu verführen pflegte. Mit seinen leicht durchschaubaren Methoden kam er bei ihr bestimmt nicht ans Ziel.
Allerdings, das hatte er gespürt, war sie keineswegs unbeteiligt geblieben, ganz im Gegenteil. Und das gab ihm Hoffnung, denn er wollte sie haben. Nicht einmal in erster Linie wegen des Gemäldes. Und dass sie ihn ebenfalls begehrte, stand außer Frage. So gut kannte er sich aus mit Frauen. Nur war sie zu schnell geflohen – vielleicht weniger vor ihm als vor sich selbst.
Wirklich alles sehr merkwürdig.
Nach einem frühen Morgenspaziergang in Begleitung von Lady Caroline kehrte Susanna ins Haus zurück. Da inzwischen ein Dauerregen eingesetzt hatte, würde man sich drinnen beschäftigen müssen. Sie begab sich in die leere Bibliothek. Gut, die Herren befanden sich noch auf ihren Zimmern, um sich nach dem Ausritt umzukleiden. Deshalb beschloss sie, hier ein paar Briefe zu schreiben und zu warten, ob später einer von ihnen auftauchte.
Sie setzte sich an einen Tisch neben dem Fenster, wo es trotz des bedeckten Himmels hell genug war, und machte es sich auf dem lederbezogenen Lehnstuhl bequem. Als Erstes schrieb sie einen Brief an ihre Mutter, die sicher alles über die Gäste, die Speisefolge und den Tagesablauf würde wissen wollen.
Den Brief an Elizabeth musste Susanna vorsichtig formulieren, falls ihre Mutter, die verwitwete Duchess, darum bitten würde, ihn lesen zu dürfen. Sie streute ein paar Informationen über ihren Aufenthalt ein und fragte unauffällig nach, wer noch in London sei und ob man ihr große Aufmerksamkeit schenke. Beim Brief an Rebecca hingegen erübrigten sich solche Vorsichtsmaßnahmen, denn die alte Großtante käme kaum auf die Idee, den Brief ihrer Nichte lesen zu wollen. Ihr reichten bestimmt ein paar Zitate und freundliche Grüße. Susanna war gerade dabei, auf den Earl of Parkhurst einzugehen, als sie Schritte im Flur hörte.
Sie versuchte ganz entspannt zu bleiben. Vermutlich wieder nur jemand vom Personal – ein Mann jedenfalls, so viel konnte sie an den Schritten erkennen. Sie nahm die Brille ab, drückte den Rücken durch, neigte anmutig den Kopf und setzte eine freundliche Miene auf – schließlich wollte sie ja ein hübsches Bild abgeben. Erwartungsvoll schaute sie zur Tür.
Leo Wade höchstpersönlich tauchte auf der Schwelle auf und grinste sie an.
Sie ließ sich seufzend gegen die Rückenlehne sinken. »Können Sie mich nicht einmal einen Teil des Tages in Ruhe lassen?« Er war dabei, alles zu vermasseln. Welcher Mann würde noch hereinkommen, wenn er sah, dass sie sich bereits mit Mr Wade unterhielt?
Er kam auf sie zu mit selbstbewusstem Schritt. Seine Arme schwangen beim Gehen. Himmel, warum achtete sie bloß auf solche Einzelheiten. Nicht alles ließ sich damit entschuldigen, dass Künstler alle Dinge genau zu betrachten pflegten, um sie später mit Pinsel oder Stift einfangen zu können. Jetzt starrte sie auch noch seine Lippen an!
»Sie haben schließlich die Frist für die Wette festgelegt«, verteidigte er sich und setzte sich auf die Tischkante, seine Hüfte gefährlich dicht neben ihrem Arm.
Sie widerstand der Versuchung, ihn wegzuziehen. »Sie haben einen ganzen Monat, mehr als genug also. Da sollte es doch möglich sein, mir zwischendurch ein bisschen Zeit zum Verschnaufen zu gönnen.«
»Man kann es auch anders sehen. Von den drei Wochen ist bereits mehr als eine herum.« Er beugte sich über sie. »Es geht ums Gewinnen, Susanna. Oder bei Ihnen nicht?«
»Nur denke ich dabei nicht ans Gewinnen an sich oder an Geld.«
»Sie bekommen Ihre Belohnung, ich die meine.« Sein Lächeln verblasste ein wenig, als er angelegentlich ihr Gesicht musterte. »Sie haben mir gestern Abend nach dem Tanzen nicht mehr die Gelegenheit gegeben, mit Ihnen zu reden.«
»Es ging Ihnen doch gar nicht ums Reden«, flüsterte sie und warf einen schnellen Blick zur Tür.
»Stimmt, aber jetzt. Ich
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