Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
wieder einen lockereren Tonfall an. »Wir zollen einander Bewunderung und Respekt.«
Sie hätte beinahe gelächelt bei der Vorstellung, dass jemand ihm so etwas wie Bewunderung oder Respekt entgegenbrachte, unterdrückte die Regung aber, weil sie ihn nicht kränken wollte. »Auch wenn Sie es nicht so direkt formulieren, stehen Sie Ihrem Bruder sehr nahe?«
»Natürlich tue ich das.«
»Kein Neid? Immerhin hat er als Erstgeborener beträchtliche Vorteile. Das führt oft zu Rivalitäten.«
Er schüttelte den Kopf. »Der Titel ist bei Simon in viel besseren Händen. Er kümmert sich um jeden von uns – sogar um unsere Mutter – und erleichtert uns das Leben, wo er nur kann.«
Durch eine Apanage?, fragte sie sich. »Ich habe Ihre Schwester kennengelernt. Sie ist ganz anders als Sie.«
Er grinste. »Das halten Sie wahrscheinlich für ein Kompliment.«
Sie erwiderte sein Grinsen. »Ist es denn keins?«
»Nicht wenn es nach meiner Mutter geht.« Er schien die Worte zu bedauern, denn sein Lächeln verschwand, und er wandte den Blick ab.
Sie sagte nichts, stellte indes fest, dass sie hoffte, er würde weiterreden. Dieser Mann begann sie mehr und mehr zu interessieren. Vor allem mehr, als gut für sie war.
»Sie haben erzählt, dass Ihre Mutter bei Ihnen immer die Zügel locker ließ«, meinte sie schließlich. »Bei Ihrer Schwester hat sie das nicht getan?«
»Georgina ist nicht wie ich oder Simon. Es umgibt sie eine gewisse Scheu, eine Zerbrechlichkeit. Es fiel ihr lange schwer, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden. Und ich war in der Hinsicht keine große Hilfe.«
»Sie meinen wegen Ihres Rufes?«
»Nein, es fing lange vorher an. Nachdem Simon das Haus verlassen hatte, wurde Georgie zur Zielscheibe all meiner Streiche. Sie war ein so leichtes Opfer.«
Susanna zog eine Augenbraue hoch.
»Nicht dass Sie denken, ich hätte irgendwelche schrecklichen Dinge getan«, stellte er klar. »Bloß was Jungs so tun. Sie hasste Spinnen, und ich sorgte dafür, dass sie immer welche fand. Dummejungenstreiche eben.«
»Das ist lange her. Jetzt scheinen Sie um ihr Glück besorgt zu sein.«
Er zuckte die Achseln, als sei ihm ein Gespräch über Gefühle unbehaglich. Wie vielen Männern. Aber nur wenige würden sich so viele Gedanken um ihre Geschwister machen, wie er es offensichtlich tat.
»Ich fand Ihre Schwester sehr nett«, sagte Susanna.
Er lächelte. »Warum überrascht mich das jetzt nicht?«
»Wie ich höre, ist sie verlobt.«
Sein Lächeln wurde breiter. »Das ist sie. Mit einem Nachbarn von uns, einem Kameraden von Simon und mir, der früher für Georgina fast wie ein weiterer Bruder war. Und als sich das änderte, hat es keinen mehr überrascht als mich.«
Er lachte, und sie stimmte in sein Gelächter ein.
»Dann haben Sie also einen großen Teil Ihrer Kindheit im Haus verbracht, um Ihre Schwester zu unterhalten«, hakte er nach.
»Treffend erkannt, Mr Wade«, sagte sie mit zuckersüßer Stimme.
»Es ist offensichtlich, wie nahe Sie Ihrer Schwester stehen und wie besorgt Sie um sie sind. Und was ist mit Ihrer Cousine?«
»Elizabeth steht vom Alter her meiner Schwester näher. Als Kind war sie ziemlich wild, doch inzwischen ist sie, würde ich sagen, angepasster als wir beide. Weniger auf Freiheit und Unabhängigkeit bedacht vielleicht. Und gesellschaftlich gefragter als Tochter eines Duke. Sie ist jedenfalls entschlossen, die Reihe der Skandale in unserer Familie nicht fortzusetzen.«
»Ist sie denn jemals mit irgendwelchen Gerüchten in Verbindung gebracht worden?«, fragte er und runzelte die Stirn. »Vor diesem Gemälde?«
»Nein, für die Skandale hat die Generation unserer Eltern und Großeltern gesorgt. Aber das wissen Sie ja sicher als Spezialist für Klatsch und Tratsch.«
»Nicht wirklich.«
»Na, na, Mr Wade, dass Sie solche pikanten Details nicht kennen, erstaunt mich. Ich habe versprochen, von meiner Schwester und meiner Cousine zu erzählen, nicht von unseren Vorfahren. Diesbezüglich können Sie jedoch problemlos Erkundigungen einziehen. Fragen Sie einfach Ihre Mutter.«
Er ließ sich tiefer in den Ohrensessel sinken und überkreuzte lässig die ausgestreckten Beine. Auch in dieser Hinsicht hielt er sich nicht an die Etikette.
»Zurück zu dem Gemälde: Warum hat eigentlich jede Einzelne von Ihnen behauptet, das Modell zu sein?«, fragte er und sah sie durchdringend an.
»Weil wir einen Schwur geleistet haben, uns gegenseitig zu schützen«, erklärte sie schlicht. »Es ist
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