Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)
Miss Kelmsleigh alle Folgen dieser berüchtigten Episode zu tragen haben würde.
Sebastian ertrug die unausgesprochene Kritik. Niemand würde ihnen jemals glauben, dass ihr Treffen hier einer Laune des Schicksal zuzuschreiben war. Das einzig Wichtige war, dass Sir Edwin nicht vorhatte, sie bis zur Gerichtssitzung und einer möglichen Anklage hier festzuhalten.
Sebastian ging zu ihrem Stuhl herüber. »Miss Kelmsleigh, Sir Edwin ist mit uns fertig und zufriedengestellt. Er wird Sie jetzt zur Kutsche begleiten.«
Sie hob ihren Blick. Ihr stoischer Gesichtsausdruck wurde von Erleichterung abgelöst. Die grünen Augen reflektierten die Besorgnis, die sie verborgen hatte. Ich bin frei? , formte sie lautlos mit den Lippen.
Er nickte und bot ihr seine Hand an, um ihr aufzuhelfen. Ihre kleinen Finger berührten seine, eine sanfte Berührung, übertrug aber dennoch die stumme Intimität der vergangenen Nacht. Ihre Hand verließ seine, als sie nach ihrem Mantel griff.
Sir Edwin nahm die Reisetasche und wartete an der Tür. Audrianna ging zu ihm. Bevor sie das Zimmer verließ, sah sie sich noch einmal zu Sebastian um. Es war ein Blick, den er nicht zu deuten vermochte.
4
Es war kurz vor Mitternacht, als das Gig, die einspännige offene Kutsche, die Audrianna an der örtlichen Poststation angeheuert hatte, sie zu Hause ablieferte.
Das Haus erschien im Lampenlicht des Gigs wie ein hoher, rechteckiger schwarzer Kasten. Audrianna stöhnte beim Anblick seiner einfachen, rustikalen Form innerlich erleichtert auf. Etwas abseits der Straße, weit genug von London entfernt, dass man so tun konnte, als würde der Klatsch und Tratsch der Großstadt nicht existieren, bot es den Komfort und Trost, den man nur in einem wahren Zuhause und mit einer wahren Familie fand.
Sie lebte erst seit einem halben Jahr hier, aber sie war in diesen Wänden zufriedener als irgendwo sonst in der Welt.
Das Gebäude war dunkel, bis auf den goldenen Lichtschein, der aus dem vorderen Wohnzimmerfenster drang. Sie hegte nicht allzu viel Hoffnung, dass Daphne eine Lampe brennen gelassen und zu Bett gegangen war. Ihre Cousine würde sticken oder lesen, während sie auf die Rückkehr des fehlenden Mitglieds ihres seltsamen Haushalts wartete.
Daphnes Rolle im Haus war schwer zu beschreiben. Sie war eine Mischung aus Mutter, Gastgeberin und Vermieterin und behandelte die Bewohnerinnen wie ihre Schwestern. Die Hausregeln, die sie eingeführt hatte, verlangten in allen Dingen Gleichheit unter ihnen. Doch in Wahrheit hingen sie alle von Daphnes Großzügigkeit ab.
Audrianna betrat das vordere Wohnzimmer und stellte ihre Reisetasche auf einen Stuhl.
Daphne saß am Kamin, ihr weißblondes Haar war bereits für die Nacht glatt gebürstet worden. Sie trug ein gelbes Hauskleid, das ihren großen, schlanken Körper umschmeichelte.
Sie hob ihren Blick von dem Buch, das sie gerade las. Auf ihrem hübschen Gesicht breitete sich ein erleichtertes Lächeln aus. Ihre grauen Augen studierten Audriannas schmutzigen Saum und die Reisetasche.
»Du bist erschöpft und wahrscheinlich hungrig«, sagte sie. »Komm in die Küche und iss etwas.«
Es war typisch für Daphne, nicht zu schimpfen, aber auch die Tatsache nicht zu verschleiern, dass sie genug gesehen hatte, um einen Grund dafür zu haben, sollte sie sich doch dazu entschließen.
Audrianna folgte ihrer Cousine durch das Haus und in den kurzen Flur, der zur Küche führte. Ursprünglich hatte es sich bei der Küche um einen eigenständigen Bau gehandelt, aber sie war mit dem Haus verbunden worden, als Daphne das Gewächshaus hatte erweitert lassen.
Im großen Herd der Küche flackerte nur noch die Glut, und Daphne machte sich daran, Feuerholz nachzulegen. »Mr Trotter hat mir heute Geld für dich gegeben, als ich ihm dein neues Lied gebracht habe. Zwanzig Shilling.«
Mr Trotter war ein Londoner Musikverleger, der vor Kurzen eingewilligt hatte, ein paar von Audriannas komponierten Liedern zu drucken. »Das ist viel mehr, als ich erwartet hatte.«
»Er sagte ›Meine wankelmütige Liebe‹ habe sich besonders gut verkauft. Ich soll dir ausrichten, dass deine traurigen Melodien mehr Geld hereinbringen als die anderen.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich nur traurige Lieder schreiben will, aber ich werde versuchen, ein paar weitere zu komponieren.«
»Ich bin sicher, dass alles, was du schreibst, erfolgreich sein wird, wenn es von Herzen kommt. ›Meine wankelmütige Liebe‹ hat sich genau deswegen gut verkauft.«
Das
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