Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)
gestattest, es dabei zu belassen.«
Daphne nickte. Sie wirkte nicht gekränkt. Dennoch befürchtete Audrianna, dass ihre Cousine es ihr übel nehmen würde. Normalerweise waren sie ein Herz und eine Seele, und dies war einem Streit näher gekommen als jede andere Unterhaltung, die sie jemals geführt hatten.
Audrianna hatte generell nichts dagegen, sich Daphne anzuvertrauen, aber an diesem Abend wusste sie nicht, wie sie die Sache erklären oder was sie genau sagen sollte. Bevor sie die Ereignisse und Auswirkungen ihrer katastrophalen Reise innerlich sortieren konnte, musste sie sich ausruhen.
Sie erhob sich und stellte ihren Teller ins Waschbecken. Daphne blieb in ihrer blassen, anmutigen Gelassenheit sitzen.
Audrianna beugte sich vor und umarmte ihre Cousine, die sich stets auf eine erfrischende Weise kühl anfühlte. »Ich werde mich jetzt hinlegen. Wir sehen uns dann morgen. Danke für deine Anteilnahme. Es tut mir leid, dass ich dich beunruhigt habe.«
Daphne drehte ihren Kopf und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Schlaf gut, meine Liebste.«
Gerade als Audrianna die Tür erreicht hatte, sprach Daphne erneut.
»Oh, eine Sache noch, bevor ich es vergesse. Audrianna, die Pistole, die ich oben im Schrank der Bibliothek verwahre, ist verschwunden. Solltest du sie zufällig finden, lass es mich bitte sofort wissen.«
Sebastian verzog sein Gesicht, als er in den blauen Gehrock schlüpfte, den sein Kammerdiener bereithielt. Sein linker Oberarm rebellierte gegen die Bewegung.
Im Morgengrauen war ein Arzt dagewesen, der eine Salbe aufgetragen und den Verband gewechselt hatte. Er hatte verkündet, dass sich die Wunde nicht entzündet hatte. Es schien, dass sich die Folgen auf ein paar weitere Tage dieser verdammten Steifheit des Armes beschränken würden.
Er warf einen Blick auf seine Taschenuhr, um sicherzugehen, dass es zehn war, dann ging er nach unten zu den Gemächern seines Bruders.
Er war nicht gezwungen, jeden Morgen, den er in der Stadt war, diesen Besuch abzustatten, aber er tat es dennoch. Er wusste, dass sich sein Bruder auf diese gemeinsam verbrachte Stunde sehr freute. Sie tranken gemeinsam Kaffee und lasen die Zeitung und die Post. Sie diskutierten, sprachen über den Tratsch und die Strategien der Regierung. Es vermittelte ihnen das Gefühl von Normalität, wenn zu viele Erinnerungen an vergangene Zeiten sie bedrückten.
Dr. Fenwood kam gerade aus dem Schlafzimmer, als Sebastian das vordere Wohnzimmer betrat. Fenwood war kein richtiger Arzt, sondern ein Hausdiener von beträchtlicher Stärke und angemessener Umsicht. Morgan hatte ihn irgendwann im Scherz »Dr. Fenwood« genannt und nie mehr damit aufgehört.
Inzwischen nannten ihn alle Dr. Fenwood, sodass Morgan so tun konnte, als sei die Person, die ihm auf so erschreckend intime Weise half, eine medizinische Fachkraft. Es wurden eine Menge solcher Illusionen im Haus aufrechterhalten, da sich alle bemühten, die Würde eines guten Mannes zu bewahren.
»Der Marquess ist heute Morgen bei guter Gesundheit«, sagte Fenwood. Der Doktortitel war ihm ein wenig zu Kopf gestiegen und er äußerte seine Meinung, als ob er den Unterschied zwischen gut und nicht gut kannte. »Und die Stimmung meines Herrn ist ebenfalls gut.«
Das war die Information, die Sebastian wirklich gebraucht hatte. Sein Bruder unterlag häufig Anfällen von Schwermut. Die echten Ärzte hatten von Anfang an gewarnt, dass dies bei Invaliden häufig der Fall war.
Sebastian betrat das Zimmer, das in der großen Wohnung als kleiner Salon diente. Sein Bruder hörte nicht, wie sich die Tür öffnete und sah weiter seine Post durch. Er hatte einen recht großen Stapel vor sich liegen. Die feine Gesellschaft schickte immer noch Einladungen, auch wenn man wusste, dass sie niemals angenommen werden würden. Und Morgan, der dritte Marquess von Wittonbury, las jede einzelne, als ob er sich tatsächlich eines Tages dazu entschließen würde, ein paar Abendgesellschaften zu besuchen.
Morgans Sessel stand an einem Fenster, durch das er auf die Stadt hinuntersehen konnte. Der Tisch und die darauf liegende dunkle Tischdecke verdeckte die Sicht auf die leblosen Beine, die ihn in diesen Räumen gefangen hielten, seit er aus dem Krieg nach Hause gebracht worden war, in den er großherzig, idealistisch, verspätet und impulsiv gezogen war.
Die Tatsache, dass Morgan sein Offizierspatent so spät im Krieg gekauft hatte, kam Sebastian wie pure Ironie vor. Man konnte sich fragen, ob der Rückzug
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