Ein Sohn für den Scheich
sonderlich überraschend. Sicherlich hätte sie ihm auch umgehend zugestimmt, wenn Hassan sich nicht darüber ausgeschwiegen hätte, wie lange diese Lösung seiner Meinung nach dauern sollte.
“Ich weiß es selbst nicht genau”, erwiderte er auf die entsprechende Frage. “Das hängt ganz davon ab, wie lange mein Vater noch lebt”, lautete die erschreckende Begründung. “Die Ärzte geben ihm noch zwei, bestenfalls drei Monate. Wir können nicht mehr tun, als ihm die letzten Tage seines Lebens so angenehm wie möglich zu machen. Bist du dazu bereit, Leona?”
Die Frage war so überflüssig, dass sie fast schon beleidigend war. Wie hätte sie einem sterbenden Mann, den sie wie ihren eigenen Vater liebte, je eine Bitte abschlagen können?
Ihre Zustimmung konnte und wollte Leona jedoch nicht geben, ehe sie nicht auch die Probleme angesprochen hatte, die sich nach ihrer Ankunft in Rahman unweigerlich stellen würden.
“Wird die Frau, die du heiraten sollst, auch im Palast sein?”, nannte sie das dringendste dieser Probleme zuerst.
“Traust du mir wirklich zu, dass ich dir etwas Derartiges antun könnte?”, antwortete er mit einer Gegenfrage, ohne verbergen zu können, wie sehr ihn Leonas Unterstellung kränkte.
“Die Frage musst du dir leider gefallen lassen”, erwiderte sie. “Schließlich habe ich mir nicht ausgedacht, dass …” Im letzten Moment besann sie sich und sprach nicht den Namen ihrer Konkurrentin aus. Sie kannte ihn seit Langem, nur wusste Hassan das nicht, und ohne Not wollte sie diesen Trumpf nicht ausspielen.
“Keine Sorge”, sagte Hassan, ohne zu ahnen, warum Leona den Satz nicht beendet hatte, “ich habe mit den Stammesältesten vereinbart, dass unsere Zwistigkeiten aus Respekt vor Scheich Khalifa einstweilen ruhen. Deshalb wird in naher Zukunft auch niemand von mir verlangen, dass ich erneut heirate.”
“Und in ferner Zukunft?”
“Damit werde ich mich befassen, wenn es so weit ist”, erwiderte er abweisend. “Zunächst einmal gilt meine ganze Sorge meinem Vater.”
Deine hoffentlich auch, mahnte sie sein Blick, ehe er sie fragte: “Bist du bereit, das Deine dazu beizutragen?”
Das war keine Frage, sondern eine schamlose Unterstellung. “Hältst du mich wirklich für so herzlos, dass du mich das zu fragen wagst?”, platzte Leona heraus und löste sich aus Hassans Umklammerung.
“Für deinen Vater bin ich sogar bereit, für eine Weile die Rolle der glücklichen Ehefrau zu spielen”, erklärte sie aus sicherer Entfernung. “Du solltest allerdings keine falschen Schlüsse daraus ziehen. Für dich bin ich genauso eine Marionette in eurem schmutzigen Spiel um Macht und Einfluss wie für die, vor denen du mich angeblich in Schutz nimmst. Der einzige Unterschied ist, dass du nicht den Mut hast, es beim Namen zu nennen”, fügte sie unversöhnlich hinzu, ehe sie sich umdrehte und unter Deck ging.
Hassan unternahm nicht einmal den Versuch, sie zurückzuhalten. Dafür wusste er zu gut, wie recht sie hatte. Doch zum Grübeln blieb ihm keine Zeit, weil sich Rafiq in diesem Moment mit einem Gesichtsausdruck näherte, der die Frage, die ihm am Herzen lag, vorwegnahm.
“Sie ist einverstanden”, befriedigte Hassan die Neugier seines Halbbruders.
“Wie hast du das denn hinbekommen?”, fragte Rafiq verwundert.
“Indem ich ihr zunächst nur die halbe Wahrheit gesagt habe.” Hassan fluchte leise, als er sah, wie nahe sie dem Hafen waren. “Wie viel Zeit bleibt mir noch?”, erkundigte er sich.
“Bis die ersten Gäste eintreffen maximal eine Stunde”, teilte Rafiq ihm mit.
Das war nicht besonders viel, um seiner Frau schonend beizubringen, dass er sich weitaus mehr Hilfe von ihr erhoffte, als er bislang eingestanden hatte.
Widerwillig machte er sich auf den Weg in seine Kabine, wo er Leona vermutete. Das Geräusch der Dusche verriet ihm, dass sie ins Bad gegangen war, um sich frisch zu machen.
Sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Tür hinter sich zu schließen, und anhand ihrer Kleidung, die achtlos auf dem Fußboden verstreut lag, konnte sich Hassan lebhaft vorstellen, in welcher Stimmung sie gewesen war. Doch etwas anderes sah er ebenso deutlich vor sich, und dieses Bild war ungleich angenehmer und verlockender. Entsprechend schnell hatte er entschieden, wie er das Unvermeidliche so erfreulich wie möglich gestalten konnte.
Als er das Bad betrat, war er splitternackt. Da sich Leona gerade die Haare wusch, hatte sie die Augen geschlossen und ihn
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