Ein Sommer mit Danica
erschien, in einem Bentley vorfahrend, als Privatpatient mit einer ausgewachsenen Gastritis.
Danica besuchte jetzt dreimal wöchentlich abends von 20 bis 22 Uhr einen Lehrgang für Arzthelferinnen. Er wurde in einem der städtischen Kliniken abgehalten. Als Corell sie anmeldete, war man so höflich, nicht zu grinsen, sondern seinem Wunsche nachzugeben. »Der Mann mit dem Ruf wie Donnerhall bringt uns sein Miezchen«, sagte der Leiter des Lehrganges im vertrauten Kreis seiner Mitarbeiter. »Danica Robic. Ein hübscher Käfer, in der Tat. Corell war noch nie blind, wenn es um weibliche Formen ging. Na, wir werden ja sehen, wie lange diese Liaison dauert.«
In der neunten Woche ihres Lehrganges fiel Danicas Nachhausekommen mit der Rückkehr Corells von einem Nachtbesuch zusammen. Corell hatte einen alten, gebrauchten VW gekauft, was wiederum Anlaß zu kollegialen Spötteleien gab, denn früher fuhr er einen Ferrari, den teuersten Wagen unter der Frankfurter Ärzteschaft.
»Der Floh beginnt wieder zu hüpfen«, sagte Dr. Rupprecht launisch am Stammtisch. »Übrigens: Ich weiß, daß Frau Konsul Helmbrächt heimlich zu Corell geht. Anscheinend behandelt er ihre Hysterie als Bandscheibenleiden. Haha-ha!«
An diesem späten Abend hatte Corell seinen VW gerade halb auf dem Bürgersteig vor dem Haus geparkt, als ein schneller, kleiner, schnittiger, knallroter Alfa Romeo-Sportwagen um die Ecke preschte, jaulend bremste und Danica ausstieg. Sie verabschiedete sich lachend von dem Fahrer und kam dann unbefangen winkend auf Corell zu. Der Fahrer nickte ziemlich reserviert durchs Fenster, gab Gas und donnerte mit einem Kavaliersstart davon.
Corell stand neben seinem alten VW und spürte in sich ein dumpfes, gefährliches, alarmierendes Gefühl. »Wer war denn dieser Affe?« fragte er, bevor Danica ihn begrüßen konnte.
Ihr Kopf, zum Kuß schon vorgestreckt, zuckte zurück. »Das ist kein Affe, das ist Dr. Willbourg. Hans Willbourg.«
»Aha! Und wer ist Dr. Willbourg?«
»Der Lehrer für Anatomie …«
»Er scheint auf dem besten Wege zu einem Praktikum zu sein«, sagte Corell böse. Im gleichen Augenblick bereute er das und hoffte, Danica möge ihn nicht verstanden haben. Ich Idiot, dachte er. Der erste unwichtige Anlaß, und schon benimmst du dich wie ein Clown.
Er hatte Glück, Danica hatte ihn wirklich nicht verstanden. »Er ist ein netter Mensch. Er bringt mich immer nach Hause. Und autofahren kann er –«, sagte sie unbefangen. In Corell gab es jetzt mehrere Stiche. »Aufs Gas treten kann jeder Halbidiot«, sagte er hart. »Wie lange bringt er dich schon nach Hause?«
»Seit drei Wochen …«
»Und das erfahre ich nicht? Das sehe ich so aus Zufall?«
»Was ist denn dabei?« Danica ging zur Haustür. Er wollte sie festhalten, aber dann sagte er sich, daß es das Dümmste sei, auf der Straße einen Streit anzufangen. Es wäre auch ihr erster Streit gewesen, der erste, der einen tieferen Grund hätte. So folgte er ihr, stieg hinter ihr die Treppe hoch und atmete tief durch die Nase, als er ihre schönen, langen schlanken Beine, die Hüften, den Rücken, das lange, schwarze Haar betrachtete.
Dr. Hans Willbourg … 31 Jahre jung, sportlich, gut aussehend, witzig, bestimmt überfließend von Charme … keine Ruine, die langsam restauriert werden muß wie Dr. Corell. Die Jugend, der alle Tore offenstehen. Dr. Corell ballte die Fäuste in den Manteltaschen. Der große Rivale war aufgetaucht.
Noch wußte es Danica nicht – aber sie würde es bald selbst merken. Schon begann sie, ihn zu verteidigen. Im Unbewußten war er schon etabliert. Dr. Hans Willbourg. Ein roter Alfa Romeo. Und autofahren kann er – In der Nacht betrachtete Corell die schlafende Danica. Sie lächelte. Galt das Lächeln einem Traum von Dr. Willbourg? »Ich weiß nicht, was ich tue, wenn du mich verläßt, Danica –«, sagte Corell leise und streichelte über ihr Haar. »Ich glaube, ich bringe die ganze Menschheit um –«
30
Drei Tage später – an einem Freitag – kam Dr. Corell von einem Nachtbesuch nicht zurück.
Danica wartete bis zum Morgengrauen, dann rief sie die Polizei an.
Aber die Polizei zeigte wenig Interesse für ihre Not. Sie hatte andere, größere Sorgen, als nach einem abgängigen Arzt zu suchen.
In der Nacht hatte eine Terrororganisation zwei Banken überfallen und in einem Kaufhaus Bomben gelegt. Corell wurde von den Ereignissen überrascht, als er seinen letzten Krankenbesuch beendet hatte. Er kam aus der Haustür,
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