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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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überquerte den Bürgersteig und schloß den alten Volkswagen auf, warf seine Arzttasche auf den Rücksitz und wollte einsteigen, als er einen harten Druck zwischen dem dritten und vierten Lendenwirbel spürte. Auch ohne sich umzudrehen, wußte er sofort, daß jemand hinter ihm stand und einen Revolverlauf in seinen Rücken preßte. Er blieb stehen, umklammerte mit beiden Händen den Türrahmen und holte tief Luft.
    »Laß das, Lord –«, sagte er. »Das ist nicht deine Kragenweite. Du bist ein Hochstapler, aber kein Mörder. Solltest du dich so verändert haben?«
    »Quatsch nicht so dusselig, Opa!« Eine völlig fremde Stimme. Jung, hart, mit dem deutlichen Unterton der Kompromißlosigkeit. Dr. Corell rührte sich nicht, aber plötzlich schwitzte er, der kalte Schweiß brach aus ihm heraus, als sei sein ganzer Körper eine einzige Quelle.
    »Du bist doch Arzt?« fragte die kalte Stimme. »Am Autofenster klebt so 'ne Plakette. Bist du Arzt?«
    »Ja.« Corell hatte Mühe, seine eigene Stimme zu hören. Es war, als spräche er durch Watte.
    »Was für'n Arzt. Wenn du jetzt sagst: Kinderarzt … drücke ich ab! Also?«
    »Praktischer Arzt. Früher Chirurg.«
    »Haben wir 'n Glück. Steig ein, steck den Schlüssel ins Schloß und rutsch 'rüber. Und keinen Laut, Opa, keine schiefe Bewegung … es knallt sofort.«
    Dr. Corell gehorchte. Er setzte sich, schob den Zündschlüssel ins Schloß und rutschte auf den Nebensitz. Der Mann mit dem Revolver sprang in den VW und schlug die Tür zu. Corell sah ihn an. Ein junger Kerl, das Gesicht von Haaren überwuchert, eine Pudelmütze tief über die Stirn gezogen. Er trug einen grünen Parka, wie sie aus den Beständen der US-Army in bestimmten Pop-Läden verkauft werden, und enge, dunkle Jeans, deren Farbe Corell nicht erkennen konnte.
    »Was soll das?« fragte er. Der Revolver zielte jetzt auf seine Magengrube. Eine ekelige Verletzung, wenn er abdrückt, dachte Corell. Aus dieser Entfernung reißt das Geschoß eine verflucht große Wunde. »Sie suchen einen Arzt? Haben Sie Sodbrennen? Wenn Sie mich an meine Tasche lassen, gebe ich Ihnen einen Alka-Seltzer …«
    »Werd nicht pampig, Opa. Los, hör zu!« Der junge Bärtige drückte den Revolver genau auf Corells Nabel. »Ich fahre jetzt mit dir irgendwohin. Versuche nicht, Mätzchen zu machen. Du weißt schon … an den Ampeln Zeichen geben, brüllen, sich aus dem Wagen fallen lassen, die Polizei alarmieren … es knallt sofort. Wir haben nichts zu verlieren, aber du … Ist das klar?«
    Corell wurde ruhiger. Er nickte und streckte die Beine aus. Die Verkrampfungen seiner Muskeln lösten sich, auch sein Schweißausbruch, dieser Ausdruck nackter Angst versiegte.
    Er wischte sich mit dem Mantelärmel über das Gesicht und hielt sich dann am Armaturenbrett fest, als der alte VW heulend und mit Vollgas von der Bordsteinkante wegschoß auf die stille Straße.
    In fünf Minuten ist die Polizei zur Stelle, dachte er zufrieden. Herr Gerhardts, dessen Frau mit Asthma im Bett lag und die ab und zu nachts eine Spritze haben mußte – wie heute – hatte die Angewohnheit, am Fenster zu stehen und seinem Hausarzt nachzublicken, bis er abgefahren war. Es war sicher, daß Gerhardts jetzt schon am Telefon stand und Alarm schlug. Aber Corell irrte. Gerade in dieser Nacht wartete Herr Gerhardts nicht die Abfahrt des Arztes ab. Pauline rang so fürchterlich nach Luft, bis die Injektion wirkte … Er saß bei ihr am Bett und hielt ihre bleichen Hände. Das Wetter war schuld, ein regnerischer, nebeliger Abend … Gift für einen Asthmatiker.
    Während sie durch die fast menschenleeren Straßen jagten, überlegte Corell, wie er sich verhalten sollte, wenn plötzlich die Streifenwagen der Polizei den Weg versperrten. Ob der junge Kerl wirklich schießen würde? Oder ob er mit dem Arzt als Geisel sich den Weg freidrohte? Was kam dann?
    »Sie irren –«, sagte Corell und tippte gegen seine Manteltasche. »Hier sind meine Zigaretten. Darf ich?«
    »Keine Tricks!«
    »Ich habe noch nie eine schießende Zigarette gesehen.«
    »Sie haben Humor, Opa!«
    »Den muß man bei dir auch haben, mein Enkel.« Der Junge blickte Corell schnell an und achtete dann wieder auf die Straße. Er war um den Block gefahren, hupte jetzt dreimal kurz, und Corell sah, wie zwei andere Wagen sich aus einer Reihe geparkter Wagen lösten und ihnen folgten. »Ein ganzer Konvoi«, sagte Corell und steckte sich die Zigarette an. »Du auch eine?«
    »Rauch sie an, Opa.«
    »Aber gern,

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