Ein Sommer mit Danica
bedrückend, – er spürte es so schmerzlich, als schlüge ihm die Stille mit Fäusten ins Gesicht. Seit Jahren vermißte er wieder die Nähe von Menschen, jetzt, wo er von den Menschen wegwollte. Eigentlich war es nur ein Mensch, wie er verbissen feststellte. Dieser Mensch war auf geheimnisvolle Weise in ihn eingedrungen und ließ ihn nicht mehr los.
Er setzte sich auf einen großen Stein, blickte über das mondglänzende Meer und kam sich ausgesprochen elend vor.
»Verdammt, geh weg, Danica –«, sagte er laut. »Ich kann dich nicht gebrauchen. Laß mich endlich allein!«
»Du wirst nie mehr allein sein, Sascha …«, sagte sie hinter ihm.
Er hatte sie nicht kommen hören, sie war ihm wie ein Schatten gefolgt. Nun stand sie hinter ihm, und er hätte jubeln können, die Freude übermannte ihn, diese schreckliche Einsamkeit zerstob, es war, als würde die Nacht von einem anderen Licht durchleuchtet.
Es war absoluter Blödsinn, zu denken, man könne sich so einfach fortschleichen, dachte er. Natürlich war sie auf Wache … es muß lächerlich ausgesehen haben, wie ich in Strümpfen aus dem Fenster sprang.
Sie kam an seine Seite, setzte sich neben ihn, zog die Knie an und umfaßte sie. Ihr schwarzes Haar wehte über sein Gesicht, so nahe saß sie, und er konnte nicht anders, legte den Arm um sie und zog sie noch näher zu sich heran. »Wir gehen daran zugrunde, Danica –«, sagte er.
»Aber wir tun es zusammen, Sascha.«
Er nickte und begann, ihr Kleid aufzuknöpfen. Sie hielt ganz still, auch als er es ihr über die Schulter streifte. Sie trug nichts unter dem dünnen Kleid, ihre Haut war von mattem Glanz, warm und seidig.
»Es ist zum Verzweifeln«, sagte Corell. »Warum liebst du mich?«
»Ich weiß es nicht, Sascha.«
Sie legte sich zurück, er streifte das Kleid über Hüften und Beine, warf es weg und legte seine Hände über ihre Brüste. Es war plötzlich alles so einfach. Das Denken hörte auf, dafür tauschte man jetzt den Traum ein, vielleicht den letzten Traum, eine Rückkehr zur Jugend, bis das endgültige Verfaulen begann. Eine einzige Stunde … zwischen Gestrüpp am Meer, unter sich die runden, von Jahrtausenden abgeschliffenen Kiesel … es mußte einfach so sein, es war sinnlos geworden, noch weiter vor sich selbst zu flüchten.
»Warum weinst du?« fragte er.
Ihr Gesicht war von Tränen übergossen, aber sie kamen aus Augen, die leuchteten. »Weil ich glücklich bin.«
»Ich liebe dich, Danica.«
Sie legte die Hände über seinen Mund und schloß die Augen. »Es ist so schön«, flüsterte sie. »Sascha, so schön …«
4
Bis zum Morgen blieben sie liegen, sahen in den Sonnenaufgang, ließen das Morgenrot über sich fallen wie einen brennenden Mantel und bewunderten den Himmel, der sich ständig veränderte, bis er so blau war, wie es sich für einen Sommerhimmel gehörte. Die Wärme fiel über ihre nackten Körper, und Danica sagte:
»Sascha, wir können hier nicht ein ganzes Leben lang liegen bleiben.«
»Es wäre gut.« Corell richtete sich auf, zog die Hose an und beobachtete Danica, wie sie ihr Kleid überstreifte und die Haare mit gespreizten Fingern kämmte. Welch ein Wunder, dachte er. Tatsächlich, ein Wunder. Er erhob sich, beugte sich zum Meer, schöpfte mit beiden Händen Wasser und goß es sich über Nacken und Kopf. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nicht so geliebt, so innig, so verzweifelt, so nach Erlösung schreiend. Selbst seine Liebe zu Hilde bekam eine andere Farbe, sie verblaßte, versank irgendwo in der Erinnerung, wurde wesenlos. Das verwirrte ihn, er tauchte den Kopf noch ein paarmal ins Meer und stand dann am Ufer, völlig eingefangen von dem neuen Gefühl.
»Hat dein Vater einen langen, dicken Knüppel?« fragte Corell.
»Nein, eine Pistole aus seiner Partisanenzeit. Aber das weiß niemand.«
»In einer Stunde wird man es wissen. Er wird mich erschießen.«
»Damit würde er gar nichts ändern. Ich werde mit dir sterben.«
Sie band sich die Haare im Nacken zusammen, der Morgenwind drückte das Kleid gegen ihren Körper, die Form ihrer Brüste, ihres Leibes, ihrer Schenkel durchbrach den dünnen Stoff. Sie streckte die Hand aus und lachte. »Komm! Es ist steil bis zur Straße.«
»Ich habe es in der Nacht gar nicht gemerkt.«
Sie kletterten hinauf, küßten sich noch einmal und gingen dann nach Piran zurück.
Petar Robic war schon aufgestanden und saß im Zimmer wie eine seiner geschnitzten Figuren im Andenkenladen. Stana schlief noch … er
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