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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bekam er ihn an der Hose zu fassen und riß ihn zurück.
    »Ich habe dir das nicht gesagt, damit du einen Verrückten spielst!« schrie Robic. »Hör mir zu! Du änderst gar nichts, wenn du wie ein alter Dampfkessel schnaubst. Willst du dir die Lunge aus dem Hals rennen? Wo willst du sie suchen?«
    »Du weißt, wo sie sind –«
    »Nichts weiß ich. Sie sind am frühen Morgen fort. Soll ich neben ihnen herlaufen und Danica eine Eisenplatte vor den Leib halten? Serge, ich könnte die ganze Welt zusammenschlagen, aber was ändert das? Ich weiß, was in dir los ist, aber sei vernünftig, Junge, mach dich nicht unglücklich.«
    »Ich werde sie finden.« Serge lehnte sich an die Wand. Sein sonst so offenes, klares Jungengesicht war leer, ausgelöscht, aus der Form geraten. Er hatte blaue Augen, aber jetzt wirkten sie wie ein schmutziges Grün. Man sah, daß in ihm die Gedanken arbeiteten, daß sie herumtasteten, und plötzlich schienen sie Halt gefunden zu haben. Eine unbeschreibliche Fassungslosigkeit überzog ihn. »Das ist doch nicht wahr …«, sagte er kaum hörbar.
    »Was?«
    »Der Deutsche. Der deutsche Doktor. Der da oben liegt, der …« Er warf sich herum, um nach oben zu rennen, aber Robic schlug mit der Faust auf den Tisch. Dobroz blieb am Fuße der steilen Treppe stehen.
    »Da ist er nicht mehr. Seit zwei Tagen läuft er herum. Gesund wie eine Elefant. Ja, Junge, er ist es! Ich war blind, Stana war blind … jetzt weiß ich, daß wir blind sein wollten. Wir wollten es einfach nicht glauben. Aber es ist nun so.«
    »Ich finde sie …«, stammelte Serge. »Ich finde sie … Ich jage ihn ins Meer oder in die Berge … über die Felsen …«
    »Und dich ins Zuchthaus!«
    »Das ist mir gleichgültig. Ich liebe Danica –«
    »Sie hat viel davon, wenn du zehn Jahre hinter Mauern sitzt.«
    »Was hat sie jetzt?« schrie Dobroz.
    »Siehst du, das ist ein gutes Wort.« Robic zeigte auf einen Stuhl. Gehorsam kam Serge zurück, setzte sich, klemmte die Hände zwischen die Knie … auf einmal zerstört, kindlich, Trost suchend bei dem Mann, zu dem er einmal hatte Vater sagen wollen.
    »Sie hat Sascha. Mensch, bleib sitzen«, sagte Robic. »Sie hat uns alle eingetauscht gegen ihn. Ich habe lange Stunden darüber nachgedacht, Serge … es ist nichts zu machen. Das ist die Natur, das ist die Liebe, sie läßt sich nicht programmieren, sie ist immer unlogisch, es gibt kein Parteiprogramm der Liebe. Da ist ein Mädchen, und das sieht einen Mann an und weiß: Der ist es! Der und kein anderer! Warum, fragt man dann. Warum gerade der? Und keiner kann darauf eine Antwort geben, auch das Mädchen nicht. Es ist eben so. Basta! Da kann man andere Männer bringen, schöne Männer, mit Gold behängte Männer, alle Männer der Welt … nein, sagt sie, nein … der da ist es! Man wird es nie begreifen. Was willst du also dagegen tun? Du Zwerg von einem Mann! Du mußt es schlucken! Herunterwürgen wie glitschige Klöße, schlucken und schlucken und es mit der Zeit verdauen. Ich bin dabei, mich daran zu gewöhnen … mir hängt der Kloß schon im Magen –«
    »Ich kann das nicht.« Dobroz stierte gegen die Wand. Das Farbfoto von Isola, in einem dunklen Holzrahmen, war wie Hohn. Er sprang auf, riß es von der Wand und zerstampfte es.
    »Zwanzig Dinare mit Rahmen –«, sagte Robic. »Es war nur aus dem Laden geliehen. Es ist Volksbesitz. Leg zwanzig Dinare hin …«
    »Ich suche Danica!« Serge lief zur Tür. Dieses Mal hinderte ihn kein hinterher geworfener Knüppel, aber Robics Stimme war um so lauter.
    »Wenn du Sascha anrührst, versteck dich in einer unbekannten Höhle!« schrie er hinterher. »Danica ist glücklich mit ihm … das allein ist wichtig für mich!«
    Dobroz stürzte aus dem Haus, warf sich auf sein Motorrad und raste wie ein Irrer die enge Straße hinunter. Er hatte den Drang, laut zu heulen, schreiend durch Piran zu fahren, über den Tartiniplatz, vorbei an den Hotels an der Uferpromenade, die Mole hinauf und hinunter, rund um die Kirche am Kap, und alle Menschen sollten ihn sehen und hören und teilhaben an seinem unmenschlichen Schmerz. Aber er hockte stumm und verbissen hinter dem Lenker, bremste auf dem Tartiniplatz, setzte sich an das Denkmal, zog die Beine an und wartete.
    Zwei deutsche Touristen sprachen ihn an, fragten ihn etwas – er sah zu ihnen hoch, musterte sie aus leeren, fahlblauen Augen und sagte auf slowenisch: »Leckt mich doch alle am Arsch!«
    Die Deutschen verstanden ihn nicht, nickten und

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