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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Murano geblasen für einen Flügel, der nur Clara Soffkov gehörte. Das wertvollste Instrument der Welt. »Aber ich werde warten, Sascha. Auch wenn Sie nicht kommen können … ich weiß, Sie sind ein guter Mensch. Das ist viel wert in unserer schrecklichen Zeit …«
    *
    Beim Morgengrauen führte der Zehnjährige Dr. Corell über enge, schwindelerregende Pfade durch den Karst zur Straße zurück. Als sie unter ihnen lag, gab ihm der Junge die Maschinenpistole zurück. Er hatte sie die ganze Zeit mitgeschleppt.
    Eine Lastwagenkolonne – ein deutscher Munitionstransport, begleitet von einer Motorradstaffel – ratterte vorbei. Corell und der Junge duckten sich hinter einen Felsvorsprung und warteten ab, bis die schweren Wagen vorbeigefahren waren. Die Straße zwischen Pula und Labin war also wieder frei.
    »Du wartest hier –«, sagte Corell zu dem Jungen. »Übermorgen.« Er streichelte ihm über die struppigen Haare, aber der Junge schlug ihm die Hand weg, spuckte vor ihm aus und lief wie ein Wiesel durch die rissigen Felsen davon. Corell sah ihm ohne Groll nach. Zum erstenmal schämte er sich, ein Deutscher zu sein. Es war ein verdammt schmerzhaftes Gefühl.
    Eine halbe Stunde später nahm ihn ein Lastwagen mit. Der Fahrer, ein Obergefreiter, und sein Beifahrer, ein Stabsgefreiter, starrten Corell an, als käme er von einem anderen Stern. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er noch immer die zerrissene Rot- Kreuz-Fahne um den Körper gewickelt hatte. Als er sich in der Höhle wieder angezogen hatte, war das ganz mechanisch geschehen, als sei sie ein Teil seiner abenteuerlichen Uniform aus Pelzmütze und Felljacke.
    »Wenn isch mir en Bemerkung erlauben darf, Harr Unterarzt –«, sagte der Stabsgefreite, der aus Köln stammte. »Da Fastelovend (Karneval) bejinnt erst am 11.11.«
    »Partisanen –«, sagte Dr. Corell knapp. Er kletterte neben dem Fahrer in das Führerhäuschen. »Fahren Sie mich sofort nach Labin ins Feldlazarett II.«
    »Jefangen un ausgerissen?« Der Stabsgefreite pfiff durch die Zähne.
    »Ja. So ähnlich.«
    »Da han se äwwer Jlück jehabt, Harr Unterarzt …« Er griff nach hinten und holte eine Feldflasche hervor. »Ne Schluck? Is Rotwein, Harr Unterarzt. Wein mit Slibowitz. Ne Spezialmischung vom Köbes.« Er nahm Haltung an. »Stabsjefreiter Jakob Peffgen. III. Versorgungsbataillon aus Rijeka.«
    »Danke.« Corell setzte die Flasche an den Mund. Der erste Schluck von Köbes Spezialmischung brannte höllisch im Gaumen und in der Kehle, der zweite belebte, der dritte Schluck wirkte Wunder. Die Bedrängnis der vergangenen Nacht wurde weggetrieben. Stabsgefreiter Peffgen starrte mit schiefem Mund auf den Unterarzt. Der säuft meine ganze Flasche aus, dachte er. Mehr Slibowitz als Wein. Junge, Junge, der ist den Partisanen von der Schippe gesprungen. So'n Glück hat der nur einmal im Leben. Mensch, hat der'n Schwein gehabt.
    »Wunderbar –«, sagte Corell, als er die Feldflasche absetzte. »Das Gesöff sollten Sie sich patentieren lassen, Stabsgefreiter.«
    »Nach'm Krieg, Harr Unterarzt. ›Köbes Hirnsauser‹. Schön, wat?« Jakob Peffgen lachte, schraubte die Flasche zu und warf sie hinter sich auf die Ablage. Dann fuhren sie weiter und erreichten nach einer halben Stunde Labin. Als Corell vor dem Postenhäuschen des Feldlazaretts aus dem Lastwagen kletterte, konnte er das nur mit Hilfe des Stabsgefreiten Peffgen. Er war so betrunken, daß er kaum noch gehen konnte.
    »Egal, wie Sie ankommen … Sie sind wieder hier!« sagte Dr. Weber und brachte Corell wie einen Sohn, der von einer Bummeltour heimkommt, ins Bett. »Ihren Wagen hat man gefunden, natürlich leer. Mein Gott, daß Sie leben …« Er dachte an die vergangenen Stunden. Es war die gleiche Qual gewesen wie damals, als seine Tochter in Wuppertal unter britischen Brandbomben schreiend und brennend durch die Straße lief und niemand ihr helfen konnte. »Wo waren Sie denn, Alexander?«
    Corell streckte sich im Bett. Das Lächeln auf seinem Gesicht war mehr als die Glückseligkeit des Betrunkenen. »Chopin. Klavierkonzert f-moll …«, lallte er.
    »Total besoffen!« Stabsarzt Dr. Weber ging aus dem Zimmer. »Aber ich habe ihn wieder …«
    Ein paar Minuten später telefonierte er mit Pula. »Dr. Corell ist wieder da«, meldete er dem Oberstabsarzt. »Ja, er versieht schon wieder seinen Dienst. Ein Bericht wird nachgereicht. Er ist in eine Partisanenfalle gefahren und konnte sich retten. Keine Verletzungen. Ein paar Glassplitter im

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