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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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völlig unmöglich.«
    »Das sehe ich ein.« Clara Soffkovs Kopf fiel nach vorn. Corell griff schnell zu, weil er glaubte, sie falle ins offene Feuer. Aber sie hatte nur die Hände gefaltet und war in sich zusammenge sunken. »Es ist furchtbar –«, sagte sie leise. »Es ist so furchtbar …«
    »Das U-Boot würde ohnehin nur Sie aufnehmen.«
    »Ja.«
    »Haben die Partisanen keine Möglichkeit, die Frauen woanders zu verstecken?«
    »Sie werden es versuchen. Bisher haben sie vor allem versucht, mich vor den Deutschen zu verbergen.«
    »Sie müssen eine wichtige Frau sein für dieses Land.«
    »Man sagt es.« Clara Soffkov schüttelte den Kopf. Der Feuerschein umhüllte sie völlig, wie sie so vorgebeugt dasaß, und Corell hatte plötzlich Angst, sie könne sich wirklich in Flammen auflösen und faßte nach ihrer Schulter. Sie drehte den Kopf zu ihm, und jetzt erst merkte er, daß sie weinte. »Was ist Ruhm in einer Zeit, in der man dem zujubelt, der am besten töten kann?«
    Sie stand auf, ging aus dem Feuerschein weg, tiefer in die Höhle hinein, und sah sich um, ob Corell folgte. Er nahm es als Aufforderung, ging ihr nach, und sie kamen zu dem Teil des Felsenverstecks, das als Schlafraum diente. Hier hatte man alte Matratzen und ein paar mit Stroh ausgestopfte Säcke auf die Erde gelegt, zwei Petroleumlampen hingen an Stahlnägeln von der niedrigen, gewölbten Decke. Die Wärme des Feuers reichte nicht bis in diese Ecke; Corell spürte plötzlich, daß er nur sein Hemd anhatte und zog die Schultern hoch.
    »Ich habe seit fünf Monaten nicht mehr vor einem Klavier gesessen«, sagte Clara Soffkov. »Zuletzt konnte ich in einer Schule in Slunj spielen, heimlich, der deutsche Kommandant war der Vater einer Tochter, die auch Musik studierte, aber dann wurde er versetzt und ich mußte mit den Partisanen flüchten. Doch ich habe das hier …«
    Sie holte unter ihrer Matratze einen langen Kartonstreifen hervor. Mit weißer Kreide und schwarzer Schuhcreme waren die Tasten eines Klaviers darauf gemalt, sauber und korrekt, Taste nach Taste, 88 Töne, eine vollständige Klaviatur.
    Corell spürte ein Brennen im Hals und in den Augen. »Das Hammerklavier –«, sagte er heiser. »Erfunden von Christofori, 1709 in Florenz und Christian Schröter in Nordhausen …«
    »Psst!« Clara Soffkov legte den Finger auf die Lippen. Sie setzte sich auf einen der Strohsäcke, legte die Pappklaviatur auf ihren Schoß, spreizte die schönen, langen, zerbrechlichen Finger, schloß einen Moment die Augen und ließ dann die Hände auf die gemalten Tasten fallen. Wie Schlangen glitten ihre Finger über die Klaviatur, die Hände kreuzten sich, fuhren auseinander, unter den lautlosen, zuckenden Fingern schienen Töne und Triller, Läufe und Melodien aufzublühen. Ein Ausdruck grenzenloser Verinnerlichung und Versunkenheit hatte ihr Gesicht überzogen … sie blickte Corell an und doch durch ihn hindurch. Es gab keinen Krieg mehr, keine Höhle im Karst, keine Todesnähe, keine Angst um das bißchen Leben, keine Sorgen um das Morgen, keinen Haß und keine Resignation … es war nur noch die Schönheit der Musik um sie und eine unerschöpfliche Liebe.
    »Chopin –«, sagte sie. »Klavierkonzert in f-moll. Hören Sie …«
    »Ich höre es genau.« Corell setzte sich auf den Steinboden, er fror, aber das war völlig unwichtig. Er starrte auf Clara Soffkovs Hände, und in seinem Innern rauschten die Töne über ihn hinweg wie ein Wasserfall. Vor seinen Augen tanzten die Finger über die gemalte Klaviatur, bis sie plötzlich breithändig liegenblieben, wie gelähmt. Er schrak zusammen … der empfundene schrille Mißklang durchschnitt ihn fast. »Was haben Sie?« fragte er.
    Clara Soffkov schob den Pappstreifen weg auf den Felsboden.
    »Es geht nicht mehr. Haben Sie nicht gehört … viermal habe ich die Passage nicht bekommen. Es war abscheulich, einfach abscheulich.« Sie hob ihre schönen Hände, sah sie an und versteckte sie unter ihrem weiten Umhang. »Das f-moll-Konzert war einmal mein größter Erfolg … Aber bis zu dieser Stelle konnte man es noch anhören, nicht wahr?«
    »Es war wundervoll, Clara Soffkov.« Corell sprang auf. »Übermorgen hole ich Sie ab.«
    »Sie werden dieses Versprechen nie halten können, Sascha.«
    »Ich schwöre es Ihnen, Clara … ich werde kommen.«
    »Unser Leben hängt nicht mehr von unseren Schwüren ab.« Sie schob die gemalte Klaviatur wieder unter ihre Matratze, so vorsichtig, als sei sie aus Glas, Tasten, in

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