Ein Sommer mit Danica
nicht mehr das Gesicht des auch im Suff noch faszinierenden Arztes … das war eine Fratze, mit Jod bepinselt, ein aus der Form geblasener Kopf mit zwei hervorquellenden Augen, einer knotigen Nase und breiten, wulstigen Lippen.
»Dokterchen …«, stammelte der ›schöne Edy‹, »Dokterchen … retten Sie mich vor diesem Weib. Es bringt mich um. Denken Sie sich, es hat mich auf den Hintern geschlagen. Jetzt ist er rot. O Gott, ich bin für drei Wochen ruiniert. Ein Hintern wie ein Pavian …«
»War er dabei?« fragte Danica wild. Sie zeigte mit dem Stuhlbein auf den entsetzten Edy. »Sascha, war er dabei?«
»Ich habe nur die Möbel zerschlagen!« schrie Edy. »Ich rühre doch mein Dokterchen nicht an! Sie fürchterliches Weib … nur die Möbel! Was sollte ich machen? Man verlangt von uns Solidarität. Ich schwöre es Ihnen, Sie Furie: Ich habe nur die Möbelchen angerührt …«
»Ist das wahr, Sascha?« fragte Danica. Corell hob die Schultern.
»Ich weiß es nicht. Sie fielen über mich her wie die Wölfe. Laß ihn in Ruhe. Edy liebt mich … aber das kann ich dir kaum erklären …«
»Dokterchen … ich danke Ihnen …« Der ›schöne Edy‹ nahm die schützenden Hände von seiner Glatze und sah Danica mit tiefstem Abscheu an. »Ist sie das? Ist das die Frau, mit der Sie schlafen?«
»Ja …«
»Wie kann sich ein Gefühl nur so verirren.« Edy versuchte einen Schritt nach vorn, aber Danicas Stuhlbein zuckte vor wie ein Rammbock. »Kann sie nicht weggehen?«
»Nein! Was willst du?«
»Der Lord schickt mich mit einem Scheck über 25.000, – DM. Die Bedingungen kennen Sie.«
»Er soll sich zum Teufel scheren.«
»Das wird er nicht, Dokterchen.« Edys Stimme wurde weinerlich. »Warum machen Sie nur diese Schwierigkeiten? Was verlangen wir denn von Ihnen? Wir sind doch alle Ihre Freunde … nur in den Arsch lassen wir uns nicht treten, auch nicht von unserem geliebten Doktor. Bleiben Sie hier..«
»Nein.«
»Wegen dieses Teufels da?«
»Ja.«
»Dokterchen –« Der ›schöne Edy‹ faltete die Hände, als wolle er beten oder ein Halleluja singen. »Stimmt es: Sie wollen eine Praxis in der Satellitenstadt gründen?«
»Das wißt ihr also auch schon?«
»Wir haben überall gute Freunde. Der Lord hat gedroht, die Wände des Hauses mit säuischen Sprüchen zu bemalen. ›Hier wohnt ein armer Mann, der nicht mehr bumsen kann.‹ Oder: ›Wer in die Vagina schaut, im Bett die höchsten Zelte baut.‹ Und das ist nur der Anfang, Dokterchen. Der Lord plant eine ganze Reihe von Aktionen. Kein Patient wird zu Ihnen kommen. Tag und Nacht werden welche von uns vor der Haustür stehen und jeden anpöbeln, der zu Ihnen will. Sie kennen das doch alles … Sie wissen doch, was der Lord kann. Rollkommandos werden Ihren Patientinnen im Hausflur unter die Röcke und an die Titten packen, und die Männer … Dokterchen, ach die Männer …« Der ›schöne Edy‹ schwieg. Corell brauchte keine weiteren Erklärungen mehr. Der Kampf gegen die Unterwelt war fast aussichtslos. Schon daß der ›Lord‹ wußte, wo er seine neuen Praxisräume mieten wollte, bewies, wie pilzartig die Ganoven alle Bereiche des täglichen Lebens durchwuchert hatten.
»Laß ihn hinaus, Danica –«, sagte Corell und hielt sich am Türrahmen fest. »Er ist nur der Bote. Die anderen kommen noch …«
Danica blickte den ›schönen Edy‹ mit einer gefährlichen Ruhe an. »Ich habe nicht alles verstanden, was er gesagt hat«, sagte sie ruhig, aber in dieser Ruhe lag mehr Drohung als in großem Geschrei. »Ich weiß nur, daß er dir gedroht hat. Warum droht er dir? Weil du ein anständiger Mensch werden willst? Ist eine Ratte stärker als ein guter Knüppel?«
»Dokterchen, bremsen Sie das fürchterliche Weib!« schrie Edy auf. Er schien in Danicas Augen die Gefahr zu lesen, in der er wieder schwebte. Aber es war schon zu spät. Blitzschnell und gut gezielt schnellte das Stuhlbein vor und traf Edy mitten auf das linke Auge. Es war ein Punktschlag, der sofort Wirkung zeigte. Das Auge schloß sich, als blase jemand von innen die Lider auf wie einen Ballon. Edy heulte heiser auf, warf die Hände vor sein Gesicht und flüchtete aus der Diele in den zerstörten Warteraum der Praxis.
»Der Ausgang ist entgegengesetzt, Edy«, sagte Corell milde. Er schloß die Tür auf, und Edy, der doch immer nur helfen wollte, rannte wie um sein Leben aus der Wohnung. Hinter ihm warf Danica die Tür wieder zu und verriegelte sie.
»Wie habe ich das gemacht?«
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