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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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gruselig – dass meine Mutter ihr eigenes Porträt, von ihrem Exmann gemalt, bei sich im Esszimmer hängen hat.»
    Liv lächelt mitfühlend. «Aber vielleicht auch ein bisschen nachsichtig .»
    «Meine Mutter ist die Nachsicht in Person. Im Gegensatz zu mir.»
    «Im Gegensatz zu Ihnen?»
    «Was ist denn das Gegenteil von Nachsicht ?», frage ich und schweife auf der Suche nach dem richtigen Wort mit den Augen zur Decke.
    «Strenge?» , schlägt sie vor.
    Ich lasse den Ausdruck auf mich wirken, um zu sehen, was er in mir auslöst.
    «Glauben Sie, ich war streng?» Die Frage ist eigentlich eher an mich selbst als an sie gerichtet.
    «Ich kannte Sie damals nicht. Ich weiß nur das, was Sie mir erzählt haben. Das haben Sie in einer unserer ersten Sitzungen erwähnt – wie verschieden Sie und Ihre Mutter sind.»
    Ich schüttle den Kopf. Ich kann mich nicht daran erinnern, das gesagt zu haben, obwohl es sehr gut möglich ist. «Ist das nicht sehr eigenartig?», frage ich. «Von den vielen Themen, auf die ich mich konzentrieren könnte – meine gescheiterte Ehe, meine Fehlgeburt, das Gefühl der Verlorenheit durch meine Amnesie –, wähle ich für ein Gespräch mit Ihnen ausgerechnet meine Mutter aus?»
    «Ich werde jetzt nicht Freud zitieren, aber vieles von dem, was wir sind, wird durch unsere Familie definiert», erklärt Liv. «Bis wir uns entscheiden, es nicht länger zuzulassen. Falls wir darüber entscheiden können.»
    «Dann sind Sie also der Meinung, man hat es selbst in der Hand, wie viel Einfluss die Eltern auf einen nehmen können oder wie meine intuitive Reaktion auf meine Mutter aussieht?»
    «Ich glaube, dass wir bei allem, was unserer Kontrolle unterliegt, eine Wahl haben», antwortet sie.
    «Und was ist mit den unkontrollierbaren Dingen? Wie können wir da eine Wahl haben?» Ich spare mir, so wie ich bei meinem Gehirn, so wie ich bei meiner Erinnerung hinzuzufügen. Einen Moment lang starre ich beleidigt auf eine Uhr.
    «Diese Frage kann ich nicht beantworten», sagt sie. «Das können nur Sie selbst.»

    Das letzte Wort, das Liv mir in unserer Übung zur freien Assoziation nannte und das ich gegen meine Mauer werfen sollte, war Liebe . Aus irgendeinem Grund, für den ich, als Peter Stunden später nach Hause kommt, noch immer keine Erklärung gefunden habe, antwortete ich: «Beige.» Gleich darauf fing ich an zu lachen – regelrecht hysterisch, weil «beige» in der Verbindung mit Liebe völlig unsinnig ist. Aber Liv wartete, bis ich mich wieder beruhigte und sich Stille ausbreitete. Plötzlich ergab es jedoch durchaus einen Sinn, und die Tatsache, dass ich die Liebe als «beige» bezeichnen würde, warf mich um und zerschmetterte mich mit der Wucht eines Tsunamis.
    Erst als ich anfing zu weinen, mir fast die Eingeweide herausheulte, meldete Liv sich wieder zu Wort. Sie reichte mir ein Taschentuch und fragte mich, was an meiner Antwort mich so furchtbar traurig gemacht habe.
    Ich konnte nicht genau benennen, was es war. Die Beatles gingen mir nicht aus dem Kopf, und ich wurde den Text von «Eleanor Rigby» nicht mehr los. Die Melodie floss durch meine Adern wie mein eigenes Blut. Also sagte ich ihr, ich hätte das Gefühl gehabt, eine emotionale Erinnerung zu durchleben, so albern sich das auch anhörte. Sie versicherte mir, es wäre kein bisschen albern, aber ich war trotzdem verlegen, weil es so übertrieben klang. Doch sie bat mich fortzufahren und beteuerte, sie würde mich nicht verurteilen. Ich dachte an das Bild von ihr auf der Hundewiese und daran, dass wir in einem anderen Leben vielleicht Freundinnen sein würden, und deshalb sprach ich weiter.
    Was mich am meisten treffe, erzählte ich ihr, sei diese unglaubliche Gleichgültigkeit, die in mir aufsteigt, sobald ich an Peter denke oder, wenn ich mich wirklich konzentriere, an meinen Vater. Dass in meinem Herzen diese Beigeheit herrscht – mir fällt kein besseres Wort dafür ein , sagte ich und sie nickte –, obwohl ich mich sonst an keine einzige Begebenheit mit meinem Vater erinnern kann. Als wäre etwas herausgeschnitten worden, als dürfte ich nichts fühlen und hätte mich deshalb dazu entschlossen, alles mit beigefarbener Gleichgültigkeit zu ersetzen.
    «Ich würde gerne Rot fühlen», sagte ich, und sie runzelte die Stirn. «Ich meine, dass ich mir als spontane Assoziation zu Liebe – ob in Bezug auf meinen Mann oder meinen Vater – Leidenschaft wünsche, Erfüllung. Als Teil des Versprechens an mein neues Ich.»
    «Die Liebe

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