Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
–, dann ist alles voll damit. Es geht wieder und wieder darum, bis ich mich entschloss, mich mit meinem Leben darüber hinwegzusetzen. Denn ich hatte das Gefühl, in diesen alten Institutionen zu ersticken. Vor allem in dieser Kombination aus WASP-Gesellschaft, elitärer
Bildung und Protestantismus. Wobei es jedoch nicht bedeutete, dass ich die Menschen und Orte dieser Institutionen nicht trotzdem liebte. Und gerade das verwirrte mich so. Ich vermute, dass daher auch der Werbe-Guru mir prophezeite, es würde so hart werden. Ich interessierte mich für Liebe. Diese Botschaft von Jesus hatte ich klar und deutlich vernommen: »Liebe den Herrn deinen Gott aus ganzem Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit all deiner Kraft und mit all deinem Geist … Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Dieser letzte Satz hatte es in sich – er fordert schließlich unumwunden, dass man auch sich selbst lieben muss.
Aber wie sollte ich das lernen? Ich hatte nicht den Eindruck, als würden die Institutionen, vor deren Altären wir gelernt hatten, unser Haupt zu neigen, gerade diesen Aspekt der Selbstliebe besonders betonten. Mir schien es vielmehr so, als würden sie etwas betonen, das sich fast wie Verzagtheit, wie Furcht anfühlte. Dass wir winzige, gefallene, bedürftige Wesen wären und uns beständig unter Kontrolle haben müssten, damit nicht alles ganz schrecklich endete … gleichzeitig aber auch, dass wir privilegiert wären und daher Großes zu leisten hätten. All das wiederum nur, wenn wir dem vorgezeichneten Weg folgten. Mir läuft es heute noch beim bloßen Gedanken daran kalt den Rücken herunter. Aber irgendwie dämmerte mir schon recht früh, dass Furcht unser eigentlicher Feind ist.
Ich erinnere mich sogar noch genau an den Moment, als mir dieser Gedanke bewusst wurde. Also blättere ich durch meine Tagebücher aus der Highschool-Zeit, bis ich fündig werde:
Heute ist hier in Connecticut ein strahlender Herbsttag, alles scheint rot oder orangefarben zu sein. Ich schwänzte das Feldhockey-Training und machte einen Waldspaziergang, weil wir im Englischunterricht Salingers »Franny und Zooey« lesen und ich dieses eine Zitat nicht finden konnte. Dabei ist es die entscheidende Stelle des ganzen Buches! Und ich wusste, dass ich sie finden sollte, nach all dem Grübeln und Beten zu genau diesem Thema. Hier ist die Stelle: »Jesus wusste – wusste –, dass wir das himmlische Königreich in uns tragen, im Innern, wohin wir nie blicken, weil wir so verflucht dumm und sentimental und fantasielos sind. Man muss eben ein Sohn Gottes sein, um dieses Zeug zu wissen.« Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen und dachte: Es liegt nur daran, dass wir alle zu feig sind hinzuschauen! Ref 4
Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und rannte zu meinem Studentenwohnheim zurück, während der Begriff himmlisches Königreich in meinem Kopf kreiste. Dort angekommen, schlug ich sogleich mein Tagebuch auf und schrieb: »Letztlich läuft alles darauf hinaus: Liebe und Furcht. Und Liebe ist größer als Furcht.«
Jetzt streiche ich mit den Fingern über meine Teenagerschrift. Und lasse Salinger – einem halben Juden und halben Katholiken mit buddhistisch-hinduistischem Einschlag – die Ehre, meine erste echte Erleuchtung bewirkt zu haben.
Ich erinnere mich noch daran, wie atemberaubend ich das damals fand. Ich schrieb einen ganzen Hausaufsatz darüber, was meinen Dozenten sicher ungeheuer amüsiert hat. (Mit ganz vielen Ausrufezeichen …) Alles über diese phänomenale Neuigkeit! Denn es bedeutete ja, dass Jesus mich gar nicht
zwingend aufforderte, meinen Blick auf die Kirche oder auch nur auf ihn zu richten, sondern letztlich … darauf, was wir vom himmlischen Reich in uns selbst entdecken – also die LIEBE! Ich könnte das auch! Und Salinger wiederholte nur Jesus’ Standpunkt – dass ich einzig und allein hinsehen musste … in mich hinein! Ich konnte ein Gefäß der Liebe sein! Und Liebe war grenzenlos! Was bedeutete, dass … ich, das irgendwie auch war!!!
Dieser Typ, den ich auf jener Party am College getroffen hatte, wirkte, als würde er diese Grenzenlosigkeit verstehen. Vielleicht sogar besser als ich, weil ich zu viel nachdachte. Genau deshalb wollte ich mich mit ihm zusammentun. Kinder haben und sie diese Art Freiheit von Beginn an lehren – genau wie Crosby, Stills, Nash und Young es verordnet hatten. Ich wollte, dass sie ihr wahres Wesen kennenlernten.
Außerdem wollte ich Schriftstellerin sein und ein
Weitere Kostenlose Bücher