Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Fensterbank ausgebreitet habe. Ich muss lächeln, weil da noch ein anderer Gedanke auftaucht, aber ein gutmütiger, ein alter, der mir sehr vertraut ist – vielleicht genügt er, um die Leere im Bett neben mir auszufüllen. Jedenfalls bringt er gute Neuigkeiten:
Es muss mir gut gehen.
Denn ich habe Lust zu kochen.
Ich möchte etwas total Aufwändiges zubereiten. Etwas, das ich schon immer kochen wollte, wozu mir aber bislang die Zeit, das Wissen oder, speziell hier in Montana, die Zutaten fehlten. Ich möchte ein Cassoulet machen.
Das wollte ich schon immer einmal. Aber auf traditionelle Weise – wie es in Toulouse üblich ist. Das dauert allerdings Tage. Aber die, wird mir gerade klar, habe ich jetzt ja. Ich wünsche mir ein kompliziertes, langes Projekt, das in hemmungsloser Schlemmerei endet – dessen Ergebnis genossen und verdaut wird und schließlich im Abwassertank verschwindet. So eine Koch-Orgie mit zahllosen Ingredienzen scheint mir perfekt für die Stimmung, in der ich mich gerade befinde: gebeutelt vom Jetlag, im Krieg mit meinem Verstand und mit aller Macht darum ringend, etwas für meinen Seelenfrieden zu tun.
Also schlüpfe ich in meinen Bademantel und husche die Treppe hinunter, um den Tiefkühlschrank nach diversen Zutaten zu durchsuchen, die ich genau für diesen Anlass in der Metzgerei am Ort besorgt habe: Schweinelende, Knoblauchwürste, Lammschulter und -knochen, gesalzene Schweineschwarte und Schweinshaxen. Ich nehme alles heraus und lege es zum Auftauen auf die Arbeitsplatte, während ich im
Kühlschrank noch nach zwei ganz besonderen kulinarischen Sünden suche – Pancetta und Prosciutto.
Danach hole ich aus der Tiefkühltruhe in der Garage noch die Ente, die uns unser Nachbar letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hat. In einem Tontopf in der Speisekammer habe ich noch Gänseschmalz – Nebenprodukt des Jagdglücks eines anderen Freundes. Erinnerung an ein anderes Festessen. Das ist auch etwas, das ich an Montana liebe. Wir sind stolz auf selbst gemachte Geschenke aus dem, was die Natur uns bietet – getrocknete Morcheln, Gläser mit eingekochten Früchten – Heidelbeere, Felsenbirne, Zimthimbeere. Geräucherte Renken und Forellen. Truthahn und Elch als Trockenfleisch und Würste.
Das werde ich alles verarbeiten, egal, ob er hier sein wird, um es zu genießen, oder nicht. Ich werde im Esszimmer mit der Tischwäsche meiner Großtante decken und mein bestes Silber und Porzellan aus dem Geschirrschrank holen. Ich werde aus dem Vollen schöpfen wie bei einem Weihnachtsessen. Das wird ein Festmahl.
Außerdem weiß ich, dass er eines ganz sicher liebt … mein Essen. Vielleicht kann ich ihn damit nach Hause locken.
Die Kinder und ich stehen in der Küche und haben ein prächtiges Durcheinander angerichtet. Mein eigentlich schon ziemlich cooler Sohn trägt eine geblümte Schürze, während meine Tochter die Jazz-CDs nach der passenden Hintergrundmusik durchsucht. Die beiden wissen, dass heute der Tag sein könnte, an dem Daddy von seinem Campingausflug zurückkommt, und sie sind Feuer und Flamme, um ihn mit unseren Kochkünsten zu beeindrucken.
Wir hören einen Geländewagen in die Einfahrt rollen, und die Hunde schlagen nicht an. Das kann nur eines bedeuten: Er ist da.
Die Kinder stürmen los und zur Vordertür hinaus.
Ich möchte mir auch die Schürze abnehmen und mir das Fett von den Händen wischen, um gelassen und gut auszusehen, aber die Schürze muss dranbleiben – ich bin gerade mitten in der Zubereitung meines Entenconfit. Wenigstens in der Küche werde ich also gebraucht. Ich arbeite weiter und warte. Dabei versuche ich, nicht an George Bailey zu denken und an die Frage, ob mein Mann während des Angelns, Campens und Grübelns wohl Besuch von seinem eigenen Clarence, seinem Schutzengel, hatte.
Ich bleibe ganz ruhig und nehme die herrlichen toskanischen Cannellini-Bohnen in Augenschein, die ich in einer Glasschüssel auf der Küchentheke eingeweicht habe. Und ich versuche, von dem zu zehren, was ich mir nach so vielen entbehrungsreichen Jahren erst kürzlich gegönnt habe. Ich erinnere mich daran, wie ich mich während der letzten Tagen in Italien fühlte – mir fällt meine Erleuchtung ein und dass ich kein Beweisfoto brauchte und dass ich dieses neue Ich annehmen und die neue Geisteshaltung sich festigen lassen wollte. Denn den harschen Worten meines Ehemannes zum Trotz habe ich vor, eben diese neue Geisteshaltung den ganzen Sommer über weiterzupflegen. Innerhalb
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