Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
meiner Familie. Und vor allem gegenüber meinem Mann. Vor allem in Anbetracht seiner Zurückweisung.
Ich muss mir selbst glaubhaft machen, dass es sich hier nur um eine schlechte Phase in unserer langen Ehe handelt. Also hole ich tief Luft und nehme die Schultern zurück, wie mein Vater das immer gemacht hat, bevor er einen Kunden anrief. Ich wiederhole für mich sogar den Satz, den er dann immer zu sich selbst sagte: »Schultern zurück, Munson.« Dabei fällt mir auf, dass ich vorher so krumm dastand wie ein altes Weib.
Ich sage mir, wie wahrscheinlich es ist, dass er mit guten Neuigkeiten hereinkommt. Und dass ich dann die Chance hätte,
eine Ehe mit ihm weiterzuführen, in der ich für mein eigenes Glück absolut allein verantwortlich wäre. Egal, wie es mit meiner Schriftstellerkarriere oder mit ihm weitergeht. Auch unabhängig davon, welche Veränderungen uns bevorstehen – das mögliche Ende dieses von uns allen so geliebten Alltags, weil wir unser Haus aufgeben und karrieremäßig noch einmal ganz von vorne anfangen müssen.
Während ich an meiner Arbeitsplatte stehe, ruhe ich in mir und fühle mich stark und mutig. Geradezu strahlend. Absolut lebendig.
Und dann taucht er auf. Schmutzig und ungepflegt und gut aussehend.
Ich muss an den Augenblick denken, als ich ihn zum ersten Mal sah. Es fühlt sich für mich immer noch so an, als wäre er mein Freund, der immer lustig und cool daherkommt. Und Sachen sagt wie: »Ich weiß, wer du bist. Jeder weiß, wer du bist.« Am liebsten würde ich mich in seine Arme werfen, aber seine distanzierte Stimmung hält mich davon ab, und das ärgert mich.
Schultern zurück, Munson , denke ich. Ich bin doch kein altes Weiblein.
»Daddy, du hast unsere Italienfotos noch gar nicht gesehen!«, ruft meine Tochter, und ihre Stimme klingt so glockenhell wie ein Campanile auf einer kleinen Piazza. »Ich hab sie auf meinen Laptop geladen. Kann ich dir die Slideshow zeigen?«
Er setzt sich in seinen Sessel neben dem Herd, wie jemand, der sein altes Revier beansprucht. Es gefällt mir, dass er in diesem Haus einen eigenen Sessel hat. Er riecht nach Rauch von offenem Feuer. Darüber bin ich froh. In schwachen Momenten hatte ich mich gefragt, ob er wirklich beim Camping sei. Ja, ich gestehe, dass ich es bezweifelt habe.
Bis jetzt hat er mich noch keine Sekunde lang angesehen.
Unser Sohn klettert auf seinen Schoß. »Daddy, hast du einen Fisch gefangen?«, sagt er, als würde er gerade seinem Superhelden begegnen (und genau das ist er für ihn).
»Ein paar«, antwortet er. »Aber nichts, was sich aufzuheben lohnte«, sagt er und klingt erschöpft.
Unsere Tochter klappt auf dem Hocker sitzend ihren Laptop auf und beginnt unsere Fotos zu kommentieren. »Das ist die Küche der Familie, bei der Mom gewohnt hat. Die sind alle so nett. Das ist deren Ofen. Er wird mit Holz befeuert. Und das da ist die Mama. Sie hat uns gezeigt, wie man Tiramisù macht. Und ihre Tomatensoße. Und das ist der Vater. Hat er nicht total liebe Augen? Er ist Kunstschmied.«
Ich riskiere einen Blick. Er versucht, sich interessiert zu geben. Aber ich sehe den Schmerz in seinem Blick. Mein Mut sinkt, und ich schaue schnell wieder auf den Kupfertopf, der auf dem Herd steht. Darin liegen Entenbeine, die ganz schwach köcheln und aus denen in fünf Stunden ein Confit geworden sein wird.
»Ich koche Cassoulet«, sage ich und klinge wie zum Äußersten entschlossen. Mehr habe ich nicht zu bieten, außer diesen Fotos, die ihn aber nicht sehr zu beeindrucken scheinen.
Der Blick meiner Tochter klebt auf den Bildern, und sie berichtet weiter von unserer Glückseligkeit »… das ist die Glasbläserei, zu der wir mit einem Wassertaxi vom Canale Grande aus gefahren sind, da haben sie vor unseren Augen ein Pferdchen aus Glas gemacht und es mir geschenkt. Einfach so! Und Moms Italienisch war wieder da!«
Ein blöder kleiner Scherz kommt mir über die Lippen, bevor ich mich besinnen kann. »Mein Italiener leider nicht«, sage ich.
Mein Mann lacht, und ich lache auch. Wir lachen sonst gerne über irgendwelche albernen Sachen. Das machen wir seit
zwanzig Jahren. Ich versuche, seinen Blick aufzufangen, während wir noch lächeln, weil ich weiß, dass er diese Art von Humor mag – lieber als Cassoulet und Italien. Aber er ist schon wieder auf Distanz gegangen.
Da klingelt das Telefon. Es sind die Nachbarskinder, die sich mit unseren Kindern in ihrer Hütte treffen wollen. Als sie rauslaufen, bedaure ich es. Oder besser
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