Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Wehmut und der Unbehaustheit verbreitet. Nein.
Es fühlte sich ganz natürlich an. Normal.
Was für eine Verschwendung: All die Jahre des Sehnens … des Leidens, weil man etwas nicht besaß – etwas, das sich so natürlich anfühlt. So natürlich und selbstverständlich wie das Aufwachen im eigenen Bett, im eigenen Zimmer, im eigenen Haus, bevor die Gedanken ins Bewusstsein dringen. Der ganze Kummer beginnt, wenn wir die Augen aufschlagen und zu denken beginnen. Dinge wollen. Über den Verlauf unseres Tages und die Menschen, die darin eine Rolle spielen, grübeln. Und wenn wir es ganz schlecht erwischen, dann beginnt der Kummer schon, wenn unsere Augen noch fest geschlossen sind.
Fortan beschloss ich, mich immer daran zu erinnern, dass mich der Moment des Erwachens mit seiner Einfachheit überrascht. Mir meinen wahren Charakter bewusst macht. Und mir mein gelassenes, unbelastetes Selbst präsentiert.
Endlich verstand ich, was mein schreibender Freund gemeint hatte. Er war kein bisschen gönnerhaft gewesen. Oder
spirituell besonders erleuchtet. Er sagte nur, dass unser Glück – unsere Fähigkeit zu lieben, im Einklang mit uns selbst und allem anderen zu leben – nicht außerhalb von uns selbst zu finden ist. Unser Glück liegt nicht außerhalb von uns selbst. Es ist so natürlich wie das Aufwachen, weil in der Ferne irgendwo ein Hund bellt. Wie den Duft von Kaffee wahrzunehmen. Oder das eigene Kind neben sich schlafen zu sehen. Selbst wenn man weiß, dass ein Tag voller Herausforderungen vor einem liegt. Selbst wenn man weiß, dass man fortmuss. Wenn das Bett, in dem man gerade aufwacht, ganz anders ist als das, in dem man am nächsten Tag die Augen aufschlagen wird.
Es ist wichtig, sich in dieser meditativen und doch wachen Trance darauf zu besinnen, wer man ist. Nicht darauf, wo in der Welt man sich befindet, wo man sein möchte, zu sein verdient hat oder nicht.
Doch was, wenn es gar keinen Sehnsuchtsort gibt? Wenn man bereits dort ist, egal, wo man sich befindet, wo man aufwacht? Ist das nicht eine Entlastung für den eigenen Kopf? Vielleicht haben diese Autoaufkleber – There is no there there – ja doch recht. Was, wenn es dort überhaupt kein Dort gibt? Vielleicht hätte ich demnach überhaupt keinen ganzen Ozean überwinden müssen.
Meine Güte, das klingt alles so nach Der Zauberer von Oz . Eigentlich nervt es mich schon fast.
Meine Erleuchtung lässt sich jedenfalls so zusammenfassen: Unser Glück liegt nicht außerhalb von uns selbst. Es ist ganz bei uns. In uns. Wo es immer schon war.
Und das bedeutet – wenn ich hier in meinem Arbeitszimmer in Montana sitze, den Koffer ausgepackt habe und meine neuen Fingernägel auf meine uralte Tastatur einhämmern, während eine Postkarte von einem Renaissance-Jesus darunterliegt,
dazu die von ein paar Propheten und von meinem Mekka, dem Duomo in Firenze, während meine Kinder noch in ihren Betten schlafen, während mein Mann noch verschwunden ist und vielleicht auch gerade an einem Ort mitten in der ursprünglichen Natur aufwacht –, dann ist es die ganze Zeit über hier. Hier. In diesem Moment meines Lebens.
Ich wusste es. Ich musste nur nach Italien, um mich dessen noch einmal zu vergewissern.
Keine Zeit der Gnade
Der dritte Tag nach »ein paar Tage«.
Immer noch keine Spur vom Ehemann. Nachts quälen mich Jetlag und Ruhelosigkeit. Ich wälze mich herum und wandere durch die vom Mondlicht perlmuttfarben erleuchteten Räume unseres Hauses. Und so, wie ich in Italien die Stimme vernahm, die sagte: Es ist alles da … es ist in dir , so höre ich jetzt: Vertrau mir. Und geh wieder schlafen. Und das tue ich dann auch.
Als ich an diesem dritten Tag ohne ihn aufwache, öffne ich meine Augen, die sofort herumwandern, als suchten sie etwas. Ich wehre die entsprechenden Gedanken ab, blinzele und schaue bewusst auf die imposanten Koniferen vor meinem Fenster, die in der diesigen Morgendämmerung grauviolett aussehen. Doch hinter mir lauert eine mächtige Kraft. Sie übt Druck auf meinen Verstand aus. Versucht, mich zu der Erkenntnis zu zwingen, dass etwas fehlt, das mir lieb und teuer ist. Dass ich mich fürchten sollte.
Und dann ist sie auch schon da, diese verdammte Erkenntnis. Das Bewusstsein. Wie ein Rudel Hyänen, das es auf die geschwächte Antilope abgesehen hat. Und ich weiß – ich
weiß, dass ich allein in meinem Bett bin. In unserem Bett. Unserem King-Size-Bett.
Da erblicke ich meine Schätze, die ich wie Glücksbringer auf der breiten
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