Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
lieber in seinem Kummer vergräbt. Meine Güte, ich habe zwanzig Jahre gebraucht, um noch mal nach Italien zu fahren. Ich verstehe, wie das ist, wenn man irgendwie feststeckt.«
»Und ich sage dir jetzt mal was – es gibt nicht viele Ehefrauen, die so viel Verständnis für ihre Männer aufbringen.«
»Ja, da magst du recht haben – aber ich bin dazu bereit, wenn ihm das hilft, wieder Zugang zu seinen Gefühlen zu finden. Ich will sein Herz erreichen. Ich liebe ihn. Und du
weißt, dass ich nach dem Tod meines Vaters vor ein paar Jahren auch nicht gerade leicht zu haben war.«
»Was redest du denn da? Willst du damit etwa sagen, dass du das verdient hast? Hör zu, du hast damals um deinen Vater getrauert. Nach der Absage dieses großen Verlags, der dir eigentlich signalisiert hatte, dass man dich groß rausbringen würde! Und der dann gekniffen hat, bloß weil du kein verdammter Promi warst! Das hab ich nicht vergessen, Süße! Aber hey – du warst trotzdem noch zuverlässig! Du bist nicht die ganze Nacht weggeblieben, ohne anzurufen!«
»Schon, aber dafür bin ich die ganze Nacht aufgeblieben und habe in meinem Arbeitszimmer geheult und Wein getrunken. Ich hab mir die alten Home-Videos meines Vaters reingezogen und mich schriftstellerisch als die totale Niete gefühlt. Mein Gott, ich vermisse ihn immer noch. Ich habe nach seinem Tod viel zu viel getrunken. Damals war es sicher kein Spaß, mit mir zu leben.«
»Na und? Jeder hat mal eine schlechte Phase. Bist du deshalb nicht mehr liebenswert? Und hast du vielleicht jemals versucht, jemand anderem die Schuld für all das in die Schuhe zu schieben? Wenn ich mich recht erinnere, hast du dich selbst zu einer Therapie verdonnert! Das war für dich eine Kleinigkeit. Aber Männer sind ja solche Flaschen, das schwör ich dir. Wahrscheinlich legt er es darauf an, dass du ihn rausschmeißt, damit du die Böse bist und er sich als das arme Opfer betrachten kann. Ich versprech dir, dass er nicht im Traum gedacht hätte, dass dabei ein Australientrip für ihn rausspringt. Eigentlich ist das sogar eine brillante Strategie von dir, meine Liebe.«
»Das hoffe ich auch, selbst wenn ich gleichzeitig weiß, dass ich die Dinge nehmen muss, wie sie kommen. Das ist sowieso eine gute Lebenseinstellung, egal, was passiert. Aber
für mich ist das etwas absolut Neues. Und ich beherrsche diese Methode noch nicht besonders gut. Und warum auch immer, aber die Italien-Reise wirkt noch sehr nach. Ich will einfach noch ein bisschen Schonfrist, verstehst du?«
»Tja, das wäre nett gewesen. Schon interessant, was passiert, wenn man sich endlich einmal gönnt, was man sich so lange gewünscht hat. Ich würde dir raten, schau auf dich. Gib ein gutes Beispiel. Bitte ihn um rein gar nichts. Gib ihm gar keine Gelegenheit, dir irgendwas abzuschlagen. Das muss er schon selbst tun. Aber natürlich gibt es hier immer ein Gästezimmer für dich, und wir können den Sommer gern gemeinsam verbringen, mit Kochen und Lesen auf dem Steg. Unsere Kinder hätten eure bestimmt liebend gern als Spielkameraden hier. Aber ich denke, du solltest ausharren. Ich kenne euch beide nun schon so lange. Ich glaube an eure Ehe. Und ich mag euch beide sehr.«
»Ich danke dir. Das bedeutet mir unheimlich viel. Du bist eine tolle Freundin.« Ich weiß, dass das die Wahrheit ist. Und mir wird klar, wie dringend ich meine Freunde in dieser Phase brauchen werde. Statt mich einzuigeln, wie ich es nach dem Tod meines Vaters und meiner geplatzten Veröffentlichung getan habe. Sich derart zurückzuziehen kann gefährlich werden.
Obwohl ich natürlich weiß, dass ich das letztlich allein durchstehen muss. Und weiß, dass das auch sein muss, wenn ich wirklich auf den Grund der Geschichte vordringen will, wenn ich mich tatsächlich verpflichte, frei zu sein. Ich will mich nicht mit Richtig und Falsch herumschlagen. Mit Gut und Schlecht. Vielmehr möchte ich alles tun, um meine wahre Natur im Hier und Jetzt auszuleben.
Ein paar ausgewählte Freunde sind dennoch gerade jetzt unverzichtbar. Als Resonanzboden, wobei ich darauf vertrauen
können muss, dass sie mich nicht verurteilen und auch nicht so tun, als hätten sie alle Antworten parat, oder ihn sogar zur Rede stellen. Vor allem müssen es Freunde sein, die unparteiisch sind und ihn nicht verteufeln. Denn immerhin, und das wollen wir schließlich nicht vergessen, liebe ich diesen Mann. Deshalb muss ich die geeigneten Freunde mit Bedacht aussuchen. Diese Freundin zählt sicher
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