Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
noch eine Menge Zuwendung brauche. Wir haben vereinbart, uns um gute Stimmung zu bemühen und den Tag als Familie zu begehen. Aber wir haben auch ausgemacht, uns am Nachmittag des 3. Juli zu einem Gespräch zusammenzusetzen, um noch mal über seinen geplanten Auszug zu reden. Um vier Uhr. Ich habe dafür gesorgt, dass die Kinder dann bei Freunden sind.
Ich war in meiner Therapiestunde und habe mir zurechtgelegt, was ich sagen will. Gelassen und großzügig. Reif und verantwortungsvoll. Ich werde ihm sagen, dass alle Beziehungen mal Pausen brauchen. Dass das eine gute und gesunde Sache ist. Ich glaube ihm, dass sein Bauchgefühl verlangt, dass er mehr Zeit für sich selbst hat – für seine ganz eigene Buschwanderung nach Art der Aborigines. Auch ich möchte, dass sich in unserer Beziehung etwas ändert. Ich wünsche mir diese so, dass sie für uns und unsere Familie funktioniert. Wir haben uns dazu entschlossen, eine Familie zu sein, und wir müssen dafür sorgen, dass sie funktioniert.
Dass er in die Stadt zieht, geht aus meiner Sicht nicht. Ich empfände es als extrem belastend. Als Gefahr für unsere Kinder, vor allem wegen der Botschaft, die es ihnen vermitteln würde. Seine Aussage, dass die Kinder begreifen werden, wie sehr ihr Vater sich danach sehnt, wieder glücklich zu sein, ist in meinen Augen ein ausschließlich rationaler und damit tödlicher Ansatz. Natürlich hat er sich selbst davon überzeugt. Wie könnte er sonst vor sich selbst eine so massive Kränkung für sie rechtfertigen? Sein Glück über das ihre stellen? Von ihnen erwarten, dass sie das wollen?
Natürlich könnten sie Verständnis vorgeben, um des lieben Friedens willen, aber er würde ihnen damit eine Wunde zufügen, die wachsen, eitern und ihr ganzes Leben infizieren würde. Unsere Tochter, die gerade am Beginn der Pubertät steht. Unseren Sohn, der noch zu klein wäre, um zu verstehen, warum Daddy ihm irgendetwas anderes vorziehen sollte.
Ich werde ihm erneut vorschlagen, allein irgendwohin zu verreisen. Oder noch besser: seinem Schmerz hier zu Hause auf den Grund zu gehen. Etwa indem er sich ein eigenes Zimmer über der Garage ausbaut. Ein Männerrefugium. Er könnte sein Schlagzeug dort aufstellen. In Therapie gehen. Allein
Wochenendausflüge unternehmen. Allerdings mit einem Zeitplan, auf den die Kinder sich einstellen und auf dessen Einhaltung sie sich verlassen können. Er könnte seine Zeit mit der Familie reduzieren, aber eindeutig ansagen, wann diese sein wird und wie sie für uns aussehen soll. Ich bin zu alldem bereit. Das ist alles, was ich vermag, um Ruhe zu bewahren. Meine Italienstimmung aufrechtzuerhalten.
Eine Stunde später, um fünf, ruft er an und sagt, er könne unseren Termin nicht wahrnehmen. Er ginge zu einer Party im Golfclub – »um den Kontakt zu einem potenziellen Arbeitgeber herzustellen. Das kannst du mir wirklich glauben«, sagt er.
Den letzten Satz hat er von mir, und das bedaure ich jetzt. Er war dazu gedacht, Eindringlichkeit zu erzeugen, und nicht, um Verantwortungslosigkeit zu rechtfertigen.
Ich frage nur, ob er vorhat, heute noch nach Hause zu kommen.
Er sagt: »Wahrscheinlich nicht.«
Ich frage ihn, ob er plant, morgen zur Parade zum 4. Juli zu kommen.
Er sagt: »Nein.«
Ich frage, ob er den Rest des Feiertags mit uns verbringen will – Grillen und Feuerwerk.
»Klar«, sagt er, als stünde es außer Frage, dass er das nicht versäumen möchte.
Ich frage, wann er zuverlässig da sein kann.
Er sagt: »Zwei Uhr.«
Ich sage ihm, dass er das den Kindern persönlich beibringen muss.
Dann gebe ich das Telefon an unsere Tochter weiter. Ich kann sehen, wie sie vor Enttäuschung das Gesicht verzieht und so tut, als würde sie eigentlich fernsehen. Auf den Fernseher kann man sich immerhin verlassen.
Ich höre leise seine Stimme aus dem Hörer, als er erst ihr und dann unserem Sohn erklärt, dass er aus Arbeitsgründen verhindert ist.
Beide Kinder sagen, es sei in Ordnung. Sie sagen, sie würden es verstehen.
Und dann schreien sie einander an, ärgern und hauen sich den ganzen Abend über – beim Federballspielen, beim Backgammon und sogar während sie sich einen Film ansehen. Sie wollen einfach ihren Daddy.
Am nächsten Tag klingelt mittags mein Handy. »Fröhlichen Vierten!«, sagt er, als sei alles in Butter. »Was treibt ihr denn so?«
»Wir sind gerade bei der Parade angekommen.«
»Ich dachte, wir würden uns gegen Mittag zu Hause treffen«, sagt er. Zu Hause sagt er. Zu Hause
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