Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
.
»Nein. Wir hatten zwei Uhr ausgemacht.«
»Ach. Na gut, dann werd ich wohl zum See fahren und dort ein bisschen abhängen. Warum treffen wir uns nicht dort, um ein bisschen zu schwimmen und danach Raketen zu kaufen?«
»Dann ruf ich dich an, sobald wir auf dem Rückweg von der Parade sind. So gegen drei. Der Verkehr ist der Wahnsinn.«
»Okay – so gegen drei. Vielleicht fahr ich dann auch einfach schon los und kauf allein ein paar Raketen und sehe euch später zu Hause«, sagt er.
Zu Hause. Ich muss an den Tag denken, als er den Pflaumenbaum gegossen hat, den er bereits gedroht hatte, rauszureißen und zu ersetzen. Den Baum hatten wir an meinem fünfunddreißigsten Geburtstag gepflanzt. Zu Hause.
»Die Kinder würden bestimmt gern mit dir zusammen Raketen kaufen. Warum kann ich dich nicht einfach auf deinem Mobiltelefon anrufen, wenn wir kurz vor der Stadt sind?
Danach treffen wir uns an dem Stand mit den Feuerwerkartikeln.«
»In Ordnung.«
Weil er in letzter Zeit selten an sein Handy geht, betone ich das noch einmal ausdrücklich: »Sieh zu, dass du gegen drei das Telefon in Hörweite hast, ja?«
»Okay«, sagt er und klingt leicht genervt. Er mag es nicht, wenn man ihn so ermahnt. Und ich tue das auch nicht gern, aber im Moment scheint er solche Ermahnungen zu brauchen. Und außerdem ist heute schließlich der 4. Juli!
Die Kinder haben sich an der Bordsteinkante aufgestellt, versuchen, Bonbons aufzufangen, und winken mit Fähnchen, während ich etwas weiter hinten bei den Großen stehe. Familien, Paare. Ich bemühe mich nach Kräften, mich nicht einsam zu fühlen und mir nicht selbst leidzutun. Ich muss an alle Feierlichkeiten denken, die ich in meinem Vorort von Chicago versäume, wo ich so viele Leute kenne und am 4. Juli niemals allein wäre.
Stolz halte ich meine Tränen zurück, sodass sie sich nur in den Winkeln meiner Augen sammeln und meine Wimpern ein wenig zusammenkleben lassen. Zumindest fließen sie nicht. Von außen betrachtet gebe ich also das Bild einer glücklichen Mutter mit ihren Kindern auf der Parade ab, während ihr Mann nur eben die Straße hinauf für Hot Dogs und Cola ansteht.
»Wann treffen wir denn Dad?«, fragt mein Sohn später mit einer Tüte Süßigkeiten in der Hand. Sein rot-weiß-blaues T-Shirt der Chicago Cubs ist vom Spritzwasser der Feuerwehrautos tropfnass.
»Ich habe mit ihm ausgemacht, dass wir ihn um drei anrufen. Dann treffen wir uns in der Stadt und kaufen zusammen Raketen.«
Er ist ein prima Rechner. »Das ist in zehn Minuten. Man braucht von zu Hause vierzig Minuten. Also sehen wir ihn in fünfzig Minuten. Das ist weniger als eine Stunde. Und dann kaufen wir zusammen Feuerwerk! Er weiß genau, was man nehmen muss. Yippiiieh!«
Ich rufe um drei Uhr an. Er geht nicht dran. Fünf Minuten später versuche ich es noch einmal. Auch nach zehn und fünfzehn Minuten. Er lässt uns hängen.
Ich kann einfach nicht glauben, dass er diesen Feiertag verpasst. Das lässt nur einen Schluss zu: Er hat sich schon viel weiter von uns entfernt, als ich gedacht hätte.
Das mag seltsam klingen, aber wenn Sie jemand schon so lange lieben, dann verstehen Sie mich vielleicht: Es tut mir für ihn leid. Die Welt seines Schmerzes muss ein schrecklicher Ort sein, wenn sie ihn so fest im Griff hat, dass er dort an einem solchen Familienfest gefangen ist.
Ich muss an diesen Film mit Robin Williams denken, als der seine tote Frau in den Tiefen der Hölle sucht: Hinter dem Horizont . Und ich erinnere mich auch daran, dass die Szenen im Himmel für denselben Film gerade mal zehn Meilen von hier gedreht wurden: im Glacier National Park. Das gibt mir ein wenig Hoffnung. Ich befinde mich nicht in der Hölle. Ich bin hier, in den Bergen von Montana. Eine Mutter mit ihren wundervollen Kindern, am 4. Juli.
Wir kommen zu dem Stand, an dem die Raketen verkauft werden. Ich sage: »Also sollen wir vielleicht für alle Fälle schon welche kaufen? Ich wette, der Verkäufer kann uns ganz genau sagen, welche die besten sind.«
»Nein. Ich will auf Dad warten«, sagt mein Sohn traurig. »Ruf ihn noch mal an.«
Das tue ich. Er geht nicht ran.
Wir fahren nach Hause, in der Hoffnung, dass er dort auf uns wartet.
Das tut er nicht. Wir rufen ihn erneut an. Ohne Erfolg.
Die nächsten Stunden verbringen wir mit einem Würfelspiel namens Farkle auf der Veranda. Meine Tochter ruft ihn von ihrem Handy aus zehnmal an. Er geht nicht ran.
Mein Sohn sagt: »Dad verpasst den 4. Juli.«
»Wie geht es
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