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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Mundson
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dir damit?«, sage ich und merke mir selbst meine monatelange Therapieerfahrung an.
    »Ich finde, es nervt«, sagt er. Er ist acht. Kindermund tut Wahrheit kund.
    »Los, kommt. Lasst uns Raketen besorgen«, sage ich. »Welche mögt ihr am liebsten?«
    Seine Miene heitert sich auf, aber noch nicht vollständig. »Die mit den Fallschirmchen.«
    Als wir um vier gerade das Haus verlassen wollen, ruft mein Mann an. »Ich dachte, ihr wolltet mich anrufen?«, sagt er in ziemlich scharfem Ton.
    »Ich habe angerufen. Immer wieder. Du bist nur nicht drangegangen.«
    »Na, ich hoffe, du hast nicht vergessen, dass ich meinem Freund um Viertel nach vier helfen muss, seine Eisskulptur zu der großen Party in die Stadt zu schaffen.«
    Mein Gott, wie gern würde ich ihm auch dafür den Hals umdrehen. Aber ich sage ganz ruhig: »Ist schon in Ordnung. Wir müssen nur rasch los, um die Raketen zu besorgen. Das Essen ist vorbereitet, und wir wollen etwa um halb sieben essen.«
    »Na, dann wartet nicht auf mich.«
    Mein Herz fällt in die staubigste Ecke unseres Windfangs, wo ich gerade mit den Kindern stehe und auf das Echo seiner Worte lausche. Dabei sehen sie mich mit diesem Waisenkinderblick
an, den ich eigentlich nur von Puzzles und Postkarten kenne. Nicht von meinen hübschen, pausbäckigen Kindern mit ihren sonnigen Gemütern!
    »Wie bitte?!«, frage ich giftig zurück.
    »Ich ruf dich gleich wieder an«, sagt er und legt auf.
    Aber er meldet sich nicht mehr.
    Nachdem wir die Raketen gekauft haben, fahren wir kurz bei einer Freundin vorbei, die Wackelpuddingtorte für meine Kinder hat und mich auf einen Spaziergang zum Fluss hinunter mitnimmt. Ihr Ehemann hat vor ein paar Jahren zunächst die Scheidung verlangt, sich dann jedoch noch eines Besseren besonnen. Heute ist er da und feuert noch vor Einbruch der Dunkelheit jede Menge Raketen ab.
    »Glaubst du, da steckt eine Frau dahinter?«, sagt sie.
    »Das bezweifle ich. Er ist im Moment viel zu durcheinander, als dass er da auch noch mit einer anderen Frau zurechtkäme.«
    »Zerrt denn irgendwas an seinen Nerven, dass er sich so benimmt?«
    »Geldsorgen. Er hat seinen Stolz eingebüßt, weil er sich beruflich als Versager fühlt.« Aus irgendeinem Grund muss ich nicht einmal weinen. Ich fühle mich sogar stark, während ich im Morast stehe und nach Mücken schlage.
    Nach einer Stunde brechen wir wieder auf, weil wir uns sicher sind, dass er uns inzwischen zu Hause erwartet. Die Eisskulptur sollte längst an Ort und Stelle sein. Vielleicht hat er vor lauter schlechtem Gewissen sogar noch ein paar Extra-Raketen mitgebracht. Dann können wir wenigstens noch den Rest des Feiertags – in den Augen der Kinder auch den besten – zusammen genießen.
    Aber er ist nicht da. Keine Nachricht auf meinem Handy. Auch nicht auf dem Anrufbeantworter zu Hause. Oder auf dem Mobiltelefon meiner Tochter.

    Wir essen zu Abend und spielen wieder Farkle, bis es dunkel wird.
    Dann gebe ich vor zu wissen, was ich tue, und zünde zum ersten Mal in meinem Leben Raketen. Große Raketen, mit Totenköpfen und Teufeln und Huren auf der Verpackung. Sie heißen Drachenfurz und Sexy Sister und Tödlicher Verfolger.
    Es fällt mir schwer, nicht daran zu denken, am Lieblingsfeiertag meines Vaters: die Fahrt in seinem roten Cabriolet zur Parade, wehende Fähnchen, Dixieland Jazz und Bloody Marys auf einer Party danach mit lauter Freunden der Familie, alle in gestärkten rot-weiß-blauen Sachen. Alle braungebrannt. Pool-Hopping bis zum Einbruch der Nacht. Ein großes Orchester, das unterm Sternenzelt John Philip Sousa spielt. Glühwürmchen. Man liegt auf alten karierten Picknickdecken. Und dann das Feuerwerk. Mein Vater, wie ihm die Tränen kommen, als der Soldatenchor »O beautiful for spacious skies …« singt. Ich halte seine Hand und fange auch an zu weinen. Geborgenheit und Patriotismus.
    Jetzt stehe ich so fern von Chicago, in Montana, unter diesen weiten Himmeln und zünde die Zündschnur von etwas an, das »Knochenbrecher-Arschtritt« heißt, renne los und ducke mich. Allein. Ich tue mir wahnsinnig leid und hasse mich gleichzeitig dafür. Weil ich mich dem Selbstmitleid ergeben habe.
    Allerdings liegen die Kinder in ihre Schlafsäcke gekuschelt auf dem Rasen vor dem Haus und jubeln. Ich muss zugeben, dass sich das durchaus gut anfühlt. Zum ersten Mal bin ich die pyromanische Heldin. Yeah! Das fühlt sich wirklich gut an. Doch mit jeder Zündschnur, jeder aufsteigenden Leuchtkugel, jedem Knall und jedem

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