Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Doch jetzt brauche ich Ebenbürtige. Nichts, was mich belastet.
Und meine Mutter ist nach der Trauer um meinen Vater so glücklich mit ihrem neuen Ehemann … Die beiden gondeln durch die Weltgeschichte, als wären sie in den Flitterwochen. Und ich will sie nicht dabei stören. Sie verdient dieses wiederentdeckte Glück. Ich spüre ihre Zuneigung wie eh und je, wenn ich vor dem Geschirrschrank stehe, und das genügt mir. Nein, jetzt brauche ich unkomplizierte Menschen um mich.
Engel. Und das meine ich so. Keine kitschigen oder New-Age-Typen oder solche, die mir sagen wollen, wo’s langgeht. Stattdessen tauchen echte Engel um mich herum auf, als würden meine Großeltern und mein Vater sie aus irgendeinem mystischen Reich direkt in mein Leben schicken. Ich spüre ihre Anwesenheit, wenn ich mit meinen Kindern im Kino sitze oder im Restaurant oder am Strand oder zum Spielen auf unserer Veranda. Als die Kassiererin im Supermarkt mir letztens im Rausgehen zublinzelte, da hatte ich den Eindruck, selbst sie sei eingeweiht. Es kommt mir vor, als würden sie alle mir sagen: Hör auf dein Gefühl. Dir wird nichts passieren, egal, was passiert.
Sie sind gestern Abend aufgetaucht. Ganz spontan. Zwei alte Freundinnen – beide erst kürzlich geschieden, auf der Fahrt Richtung Seattle. Einfach aus einer Laune heraus haben sie einen Zwischenstopp in Missoula eingelegt. Wollten sehen, ob ich zu Hause sei. Das Timing könnte nicht besser sein.
Ich huschte durchs Haus, um ein bisschen aufzuräumen, und wenige Stunden später saß ich schon mit diesen beiden guten Freundinnen auf der Veranda. Zwei Frauen, die ich auf einer Griechenlandreise kennengelernt habe, als ich versuchte, gemäß dem Joni-Mitchell-Song Carey zu leben. Frauen, neben denen ich schon oben ohne an einem schwarzen Sandstrand gelegen habe. Frauen, denen gegenüber ich schon immer eine Seelenverwandtschaft verspürt habe.
Das war wie ein Geschenk meiner Groß- und Urgroßmütter. Als wären die Stimmen aus dem Porzellanschrank zu meinem Besten zusammengekommen und hätten mir diese Frauen als Trost geschickt.
Denn mein Ehemann kam, wieder einmal … vorläufig nicht nach Hause.
Er hatte unserer Tochter eine SMS auf ihr Handy geschickt. In dem Privatclub oben auf dem Skiberg gäbe es eine Möglichkeit zum Netzwerken. Mit einem potenziellen Arbeitgeber.
Ich war stinksauer. Schließlich schickt man seiner Tochter keine SMS mit einer Information, die für die Ehefrau gedacht ist. Selbst wenn diese Frau nicht gerne via SMS kommuniziert. Dann ruft man sie eben an, denn am Telefon ist sie gut. Aber vielleicht ruft man sie nicht an, weil man sich ihre möglicherweise negative Reaktion auf die Entscheidung, mal wieder nicht am Familienleben teilzunehmen, nicht anhören will. Obwohl, eines ist ja schon witzig: Bei all dem verantwortungslosen Verhalten, das man diesen Sommer an den Tag legt … bleibt sie tatsächlich … verdammt cool. Vielleicht bleibt man also wieder die ganze Nacht weg, ohne anzurufen, nur um zu sehen, ob sie das aufbringt. Dann kann man nämlich sagen: Seht her, sie ist eine Zicke mit reichlich Ballast, und deshalb mach ich mich hier vom Acker.
Aber ich bin absolut keine Zicke.
Dafür breite ich meine Geschichte vor diesen beiden Frauen aus. Spätabends, als die Kinder schon schlafen und der Ehemann nach wie vor ausbleibt.
Wir sitzen in Decken gehüllt und mit Weingläsern vor heruntergebrannten Kerzen auf unserer Veranda. Ich bewege mich auf heiklem Terrain, weil die beiden erst kürzlich ihr Leben umkrempeln mussten, den Alltag ihrer Kinder, ihr Berufsleben. Diese Spritztour ist ihr Bekenntnis zum Neuanfang.
Ich versuche, nicht in die Zukunft zu denken. Ich brauche zunächst liebevolle Begleiter in der Gegenwart. Die beiden scheinen mir bestens dafür geeignet, weil sie sich nie davor gefürchtet haben, ganz offen zu sein.
Also berichte ich ihnen freimütig, was er nach meiner Rückkehr aus Italien gesagt hat. Wie er sich verhalten hat. Aber ich sage ihnen auch, dass ich immer noch auf seiner Seite stehe. Keine Auseinandersetzung suche. Ich gestalte unser Familienleben mit ihm oder ohne ihn. Wobei ich nicht behaupten möchte, dass dies die Lösung für jeden wäre. Ich betone, dass jede Geschichte anders ist. Mein Weg ist sicher nur eine Möglichkeit, diese Art von Krise als Frau durchzustehen. Trotzdem bin ich auf eine gewisse Bitterkeit von ihrer Seite gefasst.
Umso mehr überrascht mich ihre Reaktion.
Eine von ihnen sagt: »Ich
Weitere Kostenlose Bücher