Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
wünschte, ich hätte so reagiert wie du, als mein Mann mir eröffnete, er würde mich nicht mehr lieben. Ich habe aber das Gegenteil gemacht. Ich bin explodiert. Ich habe wie ein bescheuerter Psycho zum Küchenmesser gegriffen. Allerdings spielte in meinem Fall noch eine dritte Partei mit.«
Sie beginnt zu weinen, und wir legen ihr tröstend eine Hand auf den Arm, aufs Bein.
Sie schnieft und spricht weiter, als müsse sie sich das unbedingt von der Seele reden. »Aber als mir klar wurde, was ich
verlieren würde, da sagte ich ihm, ich sei bereit, zu verzeihen und weiterzumachen. Doch er wollte nicht. Obwohl er sagte, er hätte die andere Beziehung beendet. Er beharrte darauf, mich nicht mehr zu lieben. Punkt. Ich schwör euch, das kam aus heiterem Himmel. Ich schwör euch … bis dahin waren wir glücklich.«
»Zum Teufel mit dem Glücklichsein«, sagt meine andere Freundin und holt sich eine Zigarette heraus. »Stört es dich, wenn ich rauche? Jetzt bin ich 42 und habe gerade mit dem Rauchen angefangen.«
Ich gebe ihr eine leere Weinflasche, damit sie die als Aschenbecher benutzen kann, und denke über meine eigene Definition von Glück nach. Ich möchte sie gern mit meinen Freundinnen teilen, allerdings ohne beschränkt oder unsensibel zu wirken. Auf der anderen Seite habe ich vor guten Freunden noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. »Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass selbst wenn es eine andere Frau gibt – und mein Mann sagt, es gäbe keine –, ich dennoch glücklich sein könnte«, beginne ich zögernd. »Selbst wenn es nur ein einziger Schritt weg vom Leiden ist, habe ich für mich entschieden, das als gut zu bezeichnen. So habe ich es diesen Sommer über gehalten. Ich habe versucht, mich zurückzunehmen, wenn mein Verstand ausflippen wollte. Mich nach innen gekehrt. Um nur zu atmen, mich zu erden. Nicht mehr auf das Ergebnis fixiert zu sein. Egal, was alles in Scherben geht. Ich bemühe mich um einen gewissen Grad innerer Gelassenheit, versteht ihr? Ich denke, das könnte man Glücklichsein nennen. Glück muss schließlich nicht zwingend ein gefühlsduseliges, süßliches Lächeln bedeuten.«
»Amen«, sagt die Freundin, die nicht raucht, daraufhin. »Eine gute Fahrt ins Blaue hilft auch.«
»So fühle ich mich schon den ganzen Sommer lang. Wie auf einer mentalen Fahrt ins Blaue«, erkläre ich.
Die Dritte im Bunde hat eine andere Geschichte zu erzählen. Sie war diejenige, die gegangen ist. »Ich kann euch sagen, wenn ich meinen Job nicht verloren hätte, wenn ich nicht die Ernährerin der Familie gewesen wäre und nicht mein ganzes Erwachsenenleben damit zugebracht hätte, mir eine Karriere aufzubauen, die dann an einem einzigen Nachmittag den Bach runterging … dann hätte ich meinen Mann auch nicht verlassen.« Sie wirft die Zigarette in die Weinflasche und lehnt sich in die Kissen zurück. »Aber ich war wie in einem Nebel. Konnte nicht weiter sehen als bis zu meiner Nasenspitze. Ich konnte einfach nicht damit umgehen und wollte nur noch raus. Und jetzt bin ich draußen, so viel steht fest. Und meine Kinder hassen mich dafür.«
Sie werden dir verzeihen, geben wir beide ihr auf jeweils eigene Weise zu verstehen.
Aber sie ist unerbittlich. »Ich liebe ihn immer noch. Das ist mein Problem. Aber … ich hab‘s verbockt. Und jetzt ist er ganz woanders. Das Gericht hat zu seinen Gunsten entschieden, da sich hauptsächlich er in all den Jahren, in denen ich gearbeitet habe, um die Kinder gekümmert hat. Und auch weil schließlich ich diejenige war, die gegangen ist. Deshalb stehe ich jetzt auch mehr oder weniger allein da. Und das ist einfach die Hölle.« Sie lacht bitter. »Aber hey – immerhin habe ich meinen Job zurückbekommen! Als ob das noch etwas retten könnte.« Sie schüttelt den Kopf.
Ich habe sie nicht als so sarkastisch in Erinnerung. Und ich hätte mir niemals vorstellen können, dass sie eines Tages anfängt zu rauchen. Gerne würde ich sie in den Arm nehmen, aber sie wirkt zu verschlossen dafür. Geradezu starr, mechanisch, als sei sie über die Tränen bereits hinaus.
So möchte ich nicht werden.
Als die beiden am nächsten Tag weiterfahren, bedaure ich es, nach der nächtlichen Verbundenheit und Vertrautheit wieder allein zu sein.
Engel.
Die Tage beginnen zu verschwimmen. Ich versuche, ein Familienleben zu kreieren und daraus einen Gewinn für mich zu ziehen. Außerdem bemühe ich mich darum, eine Saite der Harmonie in mir zum Klingen zu bringen. Immer wenn
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