Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
wieder verschwindet, wie es ihm gerade passt? Was hätte ich davon? Das sage ich jedoch nicht. Noch nicht. Ich hebe es mir für in zehn Jahren auf, wenn wir an einem Strand irgendwo in der Karibik darüber lachen können.
»Ich brauche einfach mehr Raum.«
»Hab ich verstanden. Mehr Raum. Du bist auch Vater. Und Ehemann. Und du hast ein komplexes Leben eingerichtet, das ohne dich nicht funktioniert.« Ein Teil von mir möchte sagen: Werd verdammt noch mal erwachsen. Das sind Luxussorgen. Du kannst von Glück sagen, dass du überhaupt eine Familie hast, die du aufs Spiel setzen kannst. Ein Haus, aus dem du ausziehen willst. Eine Frau, die du nicht lieben möchtest. Skifahren kannst du, wenn du auch oft nicht dazu kommst. Verdammt
noch mal. Es wäre an der Zeit für ein bisschen Dankbarkeit. Und nicht für nächtelanges Ausbleiben und Party-machen, als wäre man zwanzig. Werd erwachsen! Aber stattdessen sage ich: »Mach Urlaub. Fahr irgendwohin. Lass es dir gut gehen.«
»Ich werde nirgendwo hinfahren. Ich kann gar nicht. Dafür habe ich viel zu viel am Hals.« Er gebärdet sich wie ein Kleinkind, das man mitten in einem Trotzanfall umarmt hat. »Ich habe Angst zusammenzubrechen. Ich fühle mich, als würde ich den Verstand verlieren.«
»Mein Lieber, an dem Punkt bist du bereits angelangt. Das ist schon ein Zusammenbruch. So was passiert. Entscheidend ist, wie man damit umgeht. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Sei vorsichtig. Lass dir Zeit. Das ist eine ganz wichtige Phase. Und niemand möchte die Fragen auf dieser Liste beantworten müssen. Und erst recht möchte niemand sie durchleben.«
Ich komme mir vor wie ein Fels in der Brandung. Am liebsten wäre ich mit mir selbst verheiratet.
»Wozu kannst du dich verpflichten?«, frage ich ihn und habe plötzlich keine Angst mehr.
Er schaut aus dem Fenster auf den Skiberg, als bräuchte er ihn, um Kraft zu schöpfen. Seine Lippen bilden eine dünne, gerade Linie. »Ich kann mich unseren Kindern gegenüber verpflichten. Ich kann mich verpflichten, mal einen Blick in diesen Raum über der Garage zu werfen. Ich kann mich verpflichten, mir die Hubschrauberschule anzusehen. Ich kann mich verpflichten … Ich schätze mal, ich kann mich verpflichten … diesen Therapeuten zumindest mal anzurufen … und ich kann mich zu einer Zukunft mit dir verpflichten. Wenn auch ohne eine Spur Zutrauen … oder dergleichen.«
An diesem Punkt beginne ich zu weinen.
Bis wir zu Hause ankommen, sind meine Tränen getrocknet. Immerhin habe ich das Wort »verpflichten« sechs Mal gehört.
Die folgende Woche verbringen wir wie eine glückliche Familie. Ich sehe, dass die Strategie mit der Liste funktioniert. Er schaut sich um und bemerkt, was er alles aufs Spiel setzen würde. Er merkt, dass er seine liebsten Verpflichtungen riskiert. In meinen Augen macht genau das eine Neurose aus.
Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich noch mehr dieser raumgreifenden, für alles offenen, modernen Statements von mir geben soll. Dass ich ihm aus dem Weg gehen soll, damit er auf sein eigenes Genörgel zurückgeworfen wird und sich damit auseinandersetzen muss.
Also beginne ich, in der ersten Person zu reden: »Ich gehe mit den Kids zum Wandern auf den Skiberg … Ich mache mit den Kindern und Freunden einen Bootsausflug … Ich bringe die Kinder zum Baden an den See … Ich gehe mit den Kindern eine Kleinigkeit zu Abend essen.« Gott sei Dank haben wir Sommer und herrliche Möglichkeiten.
Interessanterweise höre ich kein Wort mehr über das Haus des Freundes in der Stadt. Aber ich will daraus keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich lebe in dem Augenblick, in dem ich mich gerade befinde. Kümmere mich um das, was ich beeinflussen und gestalten kann. Den Rest lasse ich, wie er ist. Zumindest für den Moment. Mehr ist da auch nicht zu tun. Im Moment.
Sheila meldet sich immer noch laut genug zu Wort, und ich kämpfe darum, meinem Mann zu glauben, dass es da keine andere Frau gibt. Sheila verbeißt sich in dieses Thema. Sie möchte, dass ich ihn im Stich lasse. Partei ergreife. Sie will, dass ich leide. Sie ist die andere Frau in mir, und am liebsten sähe ich sie tot und begraben.
Der schwerste Kampf besteht für mich jedoch darin, aus mir selbst heraus glücklich zu sein. Sein Verhalten nicht persönlich
zu nehmen. Nicht extra Zeit dafür aufzuwenden, mich hübsch zu machen, unwiderstehlich. So möchte ich nicht leben. Ich war immer nur ich selbst. Ich habe mich redlich bemüht, authentisch zu sein.
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