Ein Spiel, das die Götter sich leisten
Hände sah, versteckte sie sie unter dem Tisch, um mich zu necken.
Oriana streichelte mich, ich sah aus dem Fenster raus aufs Meer, und mir fiel eine andere Busfahrt ein. In Jamaica von Mandeville nach Savanna-la-Mar, in einem Kleinbus, in dem ich der einzige Weiße war. Hinter mir saßen eng zusammengepfercht drei junge Frauen, und irgendwann spürte ich einen Fingernagel an meinem Nacken. Ich tat so, als hätte ich nichts gemerkt. Kurz darauf fühlte ich die Finger, ganz leicht zuerst, doch als ich wieder nicht reagierte, wurden sie mutiger, kraulten meinen Nacken, fuhren mir durch die Haare, wanderten unter mein T-Shirt. Ich wurde kurz nervös, weil ich dachte, die Hand suche einen Weg zu meinem Geld. Doch das steckte sicher in der Gesäßtasche, und so entspannte ich mich wieder und genoß den Rest der Fahrt die Hand, die mich überall streichelte, wo sie hinkam.
Ich drehte mich kein einziges Mal um, und als wir schließlich in Savanna-la-Mar hielten, standen alle sofort auf, und ich wußte nicht, welche der drei Frauen hinter mir mich die ganze Zeit über gestreichelt hatte. Keine zeigte eine Reaktion, als ich ihnen in die Augen sah, und ich hoffte vergeblich, daß eine mich ansprechen würde, um das Spiel fortzusetzten. Alle drei hatten es eilig, fortzukommen. Eine war sehr jung, eine fand ich unattraktiv, und eine hatte viel zu lange künstliche Fingernägel, die konnte es kaum gewesen sein.
Ich hatte keine Erklärung dafür, was da passiert war, aber es fällt mir manchmal ein, wenn ich an Sinnlichkeit denke. Eine Fremde, die einen langsam und einfühlsam streichelt, ohne etwas zu wollen, das darüber hinausgeht. Diese Begierde zu berühren, samtene Stoffe, weiche Haut, glatte Steine, seidige Haare. Wie fühlt sich das an.
Sinnlichkeit, ich dachte daran, wie Oriana und ich uns zum ersten Mal getroffen hatten. Noch am selben Tag, an dem ich sie am Flughafen angesprochen hatte, rief ich sie an. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag in einem Café in der Stadt, in der sie wohnte. Ich fuhr eine Stunde mit dem Zug, folgte dann ihrer Wegbeschreibung. Unterwegs wurde ich nervös, ich fürchtete, ich könne sie nicht wiedererkennen. Die Haare, die Zähne, die geschwungenen Brauen, die dunklen Augen, die einzelnen Teile waren noch in meinem Gedächtnis, aber ich dachte bei nahezu jeder Frau, die ich erblickte: Das könnte sie sein.
Wir kamen aus entgegengesetzten Richtungen gleichzeitig zum Café, erkannten uns von weitem und lächelten, so einfach, ohne Zweifel. Sie hatte eine weite schwarze Hose an, ein langärmliges schwarzes T-Shirt, trug die Haare offen und war ungeschminkt. Vor dem Eingang gaben wir uns etwas unsicher die Hand, sagten Hallo und sahen uns in die Augen. Ich hielt ihr die Tür auf, und wir gingen rein. Es war ein bedeckter, schwüler Tag.
Es kann passieren, daß man sich in so einer Situation sehr schnell gegenseitig vertraut und anfängt zu reden, von seiner Vergangenheit, von seinem Leben, von seinen Wünschen, Hoffnungen und Ängsten, daß man sofort voneinander fasziniert ist, ohne es darauf anzulegen. Wenn das Café schließt, ist man erstaunt, wie schnell die Zeit verflogen ist, wie leicht man sich fühlt und wie sehr man sich wünscht, daß das alles nie aufhört. Man hat das Gefühl, am Anfang einer herrlichen Sache zu stehen, es ist, als würde die Seele andocken. Man bewundert die Persönlichkeit des anderen und wundert sich, wie er von Sekunde zu Sekunde schöner wird. Kein Hunger, keine Müdigkeit, keine Sorgen auf den Schwingen des kleinen Schmetterlings.
So war es nicht. Oriana erzählte, warum sie gestern am Flughafen gewesen war, ich erzählte von dem Freund, den ich abgeholt hatte. Als unsere Tees kamen, schwiegen wir schon.
Es war kein peinliches Schweigen, ein wenig unsicher, aber kein Schweigen, das einen verzagen läßt. Eher eine Art geduldiges Warten, als würde man im Kino sitzen und hätte das Happy-End schon erraten. Es nagte noch Nervosität an mir, ich rührte in meinem Tee, ohne daß ich Zucker reingetan hatte. Dann verschwand der Lärm für ein, zwei Sekunden, wir sahen uns an, ich beugte mich rüber und küßte sie auf die Lippen. Mein Herz bumperte, doch das war das Abenteuer und nicht die Ungewißheit. Sie erwiderte meinen Kuß.
Wir lehnten uns zurück, tranken langsam unseren Tee, redeten über das Wetter der letzten Tage, und als die Gläser leer waren, fragte ich:
– Wohnst du weit von hier?
– Nein, sagte sie.
Ich zahlte und wir gingen.
Als
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