Ein Spiel, das die Götter sich leisten
Leidenschaft, allmählich blieben auch die Besuche aus, alles geschah in dem Tempo einer Sonnenuhr. Als ich schließlich in sie eindrang, rollte der Donner und wehte der Wind.
Oriana führte ihre Hand zwischen die Beine, während wir auf der Seite lagen, und irgendwann sagte sie: Gleich. Ich hielt inne, sah die Fältchen um ihre Augen, die leichte Furche auf der Stirn, das Grübchen über ihrem linken Mundwinkel, die zusammengezogenen Augenbrauen, den geöffneten Mund, die Zähne, diesen Ausdruck in ihrem Gesicht, bevor alles ausgelöscht wird, was existiert. Dann kam auch ich.
Wir atmeten im selben Rhythmus, klebten aneinander, ich hatte die Augen geschlossen. Irgendwann stand Oriana auf und legte eine Kassette ein. Sie stand mit dem Rücken zu mir, und ich bewunderte ihren Hintern. Noch bevor sie sich umdrehen konnte, erkannte ich Bim Shermans Stimme. Oriana legte sich neben mich auf den Rücken, den Kopf an meiner Schulter. Ich sah an die Decke, wo genau über dem Bett ein indisches oder tibetisches Thanka hing, das einen Mann im Lotussitz zeigte, auf dessen Schoß eine Frau Platz genommen hatte, die Beine hinter seinem Rücken verschränkt. Die beiden schwebten. Warum hatte sie das dort hängen?
Ich ließ meinen Blick schweifen. In dem ganzen Zimmer gab es kaum harte Ecken und Kanten. Die Anlage war in einem niedrigen Regal, hinter einem Vorhang mit aztekisch wirkenden Mustern. Der Kleiderschrank hatte keine Türen, sondern auch einen Vorhang, einen aus einem schweren, grünen, matten Stoff. An der Wand stand eine alte Weichholzkommode, deren oberste Schublade nicht ganz geschlossen war, weil da ein vorwitziges, schwarzes Höschen hatte sehen wollen, was im Zimmer vor sich ging.
Ich schloß die Augen wieder und döste. Als ich zu mir kam, lief keine Musik mehr, es war dunkel im Zimmer, Oriana mußte aufgestanden sein und das Licht gelöscht haben. Sie lag auf der Seite und hatte mir den Rücken zugewandt. Ich schmiegte meinen Schoß an ihren Hintern, umfaßte sie, ließ meine Hand auf ihrem Busen ruhen. Wir schlafen nebeneinander ein. Ich murmele ihren Namen, küsse sie auf den Nacken.
Nicht nur die Durstigen suchen das Wasser, auch das Wasser sucht die Durstigen.
Die Sonne ging schon unter, als wir in dem Nudistendorf ankamen. Es dauerte über eine Stunde, bis wir ein billiges Zimmer fanden, die Preise lagen weit über dem Durchschnitt. Wir wurden schließlich am Ende einer Sackgasse fündig, ein kleines Hotel mit fünfzehn Zimmern, Duschen und Toiletten auf dem Gang. Wir aßen eine Kleinigkeit, schlenderten ein wenig durch die Straßen und kehrten dann aufs Zimmer zurück, wir waren müde.
Die Geräusche, ein Hundebellen oder Türenquietschen, Grillenzirpen, Schritte auf dem Gang, Froschquaken, hallten in meinem Körper nach und schienen auf eine unheilvolle Art bedeutungsschwanger, so weit war ich schon in den Schlaf hinübergeglitten, als ein Stöhnen aus dem Nachbarzimmer mich zurückholte.
Oriana lag auf dem Bauch und atmete langsam und gleichmäßig. Nach ein paar Minuten hörte ich aus dem anderen Nachbarzimmer ebenfalls lautes Stöhnen. Die Wände waren sehr dünn hier. Und dann, als sei das ein Konzert, hörte ich noch mehr lustvolle Laute, anscheinend von einem der Zimmer auf der anderen Seite des Korridors. Ich lag da, lauschte, hörte manchmal Worte in einer Sprache, die ich nicht verstand, sie konnten alles mögliche heißen. Ja, machs mir. Blas mir den Schwanz schön hart. Ich bin ganz weit offen für dich. Ich will sehen, wie du spritzt. Ja, ganz langsam. O nein, mir kommts schon. Du zerquetschst meinen Hintern. Deine Ringe schneiden ins Fleisch. Nicht mit den Zähnen. Nimm den Finger da raus. Und dann glaubte ich eine Frauenstimme zu hören, die sagte: Hadi, bizde sikişelim. Oriana drehte sich zu mir und fragte: Möchtest du?
In dieser Nacht bumste das ganze Hotel.
II
Annie Sprinkle sagt:
Die Schwulen denken, daß jeder ein bißchen schwul ist, die Bisexuellen denken, daß alle eigentlich bisexuell sind, Perverse denken, daß sie die wirklich Befreiten sind und daß alle anderen eigentlich pervers sein wollen, und die Monogamen denken: Menschen können nicht glücklich sein, wenn sie nicht monogam sind – es geht nicht ohne Monogamie. Alle versuchen, die anderen an sich anzupassen.
8
Die Vögel zwitscherten schon, als ich wach wurde, weil ich pinkeln mußte. Ich stand auf und ging raus auf den Gang. Ich hörte die Spülung, und als ich wenige
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