Ein Spiel, das die Götter sich leisten
Schritte von der Toilette entfernt war, ging die Tür auf und eine Frau in einem schwarzglänzenden Nachthemd kam heraus. Ich lächelte sie an, ihre Gesichtszüge verkrampften sich, sie drückte sich an der Wand entlang zu ihrem Zimmer, darauf bedacht, Abstand zu mir zu wahren und mich nicht mehr anzusehen. Ich fragte mich, ob sie auch vor ein paar Stunden Sex gehabt hatte.
Es war schon seltsam. Das hier war ein Nudistendorf, und wir hatten uns im Schutz unserer Zimmer gegenseitig aufgegeilt und heißgemacht, andere an unserem Vergnügen teilhaben lassen, aber wenn man nachts nackt auf die Toilette ging, schien das nicht in Ordnung zu sein.
So ähnlich wie mit der Selbstbefriedigung, dachte ich, bevor ich wieder einschlief. Die Menschen redeten über alle möglichen Sexpraktiken, oral, anal, SM, Natursekt, Sprühsahne auf dem Schwanz, ich brauchs zweimal täglich, Dessous, Dildos, Hart– und Weichmacher und haste nicht gesehen. Nichts passierte mehr im stillen Kämmerlein, wir wollten alles sehen und über alles reden, das Heilige verschwand, wie Oriana gesagt hatte, aber auch das Lächerliche und das Tragische, es blieb die bloße Bewegung der Hüften. Über die Länge des Aktes und die Anzahl der Orgasmen konnte man offen sprechen, nur bei Onanie verstummten dann fast alle. Das ging niemand etwas an, daß man keinen Sexualpartner hatte und alleine auf dem Bett lag und wichste. Es gab noch Tabus. Es gab noch Sachen, die zu intim waren.
Als ich mit Oriana später beim Frühstück saß, schienen sich die meisten der Ereignisse der letzten Nacht zu schämen, als hätten sie sich im Trunk zu etwas hinreißen lassen, das fast so peinlich war, wie dem Gastgeber heimlich in die Blumenvase zu kotzen und am nächsten Morgen mit Entsetzen festzustellen, daß man das verschmierte Taschentuch mit seinem Monogramm darauf daneben vergessen hatte.
Man vermied Blickkontakte, da war nur ein Paar, das den Eindruck erweckte, als seien sie frisch und munter und gut gelaunt aufgewacht. Eine junge Frau mit roten Haaren und grünen Augen, blasser, sommersprossiger Haut, die mit einem Schwarzen mit Glatze zusammensaß, der uns zuzwinkerte.
– Laß uns nach Oktay suchen, bevor wir an den Strand gehen, schlug ich vor und goß mir noch eine Tasse von diesem Zeug ein, das sie uns als Kaffee servierten.
Es war kein großer Ort, es gab zwei Apotheken, einige Lebensmittelläden, vielleicht dreißig, vierzig Restaurants und Cafés. Auf den Straßen waren viele Menschen, die in Badelatschen und mit der Tasche über der Schulter einkaufen gingen. Sonst nichts am Leib. Ich fühlte mich nackt stets sehr wohl, aber das fand ich genauso übertrieben, wie mit einem Bier in der Hand splitterfasernackt vor einem Café unter einem Sonnenschirm zu sitzen und die Passanten zu betrachten. Es lag nicht das geringste bißchen Sex in der Luft, die Phantasie war ganz augeschaltet, und dicken nackten Menschen beim Essen zuzusehen rief nur Ekel in mir hervor. Ich hatte nicht das Gefühl, daß Oktay hier war, ich konnte mir nicht vorstellen, daß es ihm gefiel.
– Fragen wir zuerst den Friseur, sagte Oriana, womöglich irgendeiner Intuition folgend, und wir betraten den Laden, in dem ein schlanker, alter Mann mit pechschwarzen Haaren, einer dunklen Leinenhose und einem weißen Kittel gerade eine Zigarette rauchte.
Ein Lächeln erhellte sein Gesicht, als er Oriana sah, und ich überließ es ihr, zu erklären, was wir wollten. Ich war erstaunt, wie lebhaft sie Oktay beschreiben konnte, obwohl sie ihn noch nie gesehen hatte. Der Friseur erzählte uns, was ich schon geahnt hatte. Ja, so ein Mann sei noch vor etwa drei Wochen hier gewesen. Jeden Tag habe er sich in diesem Laden rasieren lassen. Er habe als Kellner gearbeitet und sich sehr schnell beliebt gemacht, doch als er anfing, seine üppigen Trinkgelder einzustecken und nicht mit den Kollegen zu teilen, wie üblich, hatte er gehen müssen, erzählte der Barbier.
– Wissen Sie, wohin er wollte? fragte ich, ein wenig mutlos, weil ich nicht mehr daran glaubte, daß ich ihn wiedersehen würde.
Der Mann nannte uns den Namen einer Stadt, dort habe ihm ein reicher Urlauber namens Myrie eine Stelle als Gärtner angeboten. Wir bedankten uns, verließen den Laden und schlenderten langsam Richtung Strand.
– Du bist klasse, sagte ich, ich sollte es dir überlassen, zu suchen. Meinst du wir werden ihn finden?
– Ich weiß nicht, sagte Oriana, ich wünsche es dir. Ich könnte noch mal die Karten fragen.
Ich
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