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Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Ein Spiel, das die Götter sich leisten

Titel: Ein Spiel, das die Götter sich leisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selim Özdogan
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Kopf hatten, aber ich konnte sie nicht mit Sicherheit aus der Menge herauspicken. Das Risiko falschzuliegen war bei den Jüngeren geringer, und von den Jugendlichen suchte ich mir auch nur die aus, die nach HipHop, Skaten und Surfen aussahen oder wie Dauerkonsumenten wirkten. Diese Menschen waren jahrelang bei mir ein und aus gegangen, manchen konnte ich es ansehen, daß sie rauchten, andere trugen Cypress-Hill-T-Shirts, Armbänder in den äthiopischen Nationalfarben oder gleich ein Hemd mit dem Rückenaufdruck: In bud we trust.
    Es reizte mich, pst zu sagen, hey, pst, pst, wie ich es oft von Straßendealern gehört hatte, doch das kam mir albern vor. Ich näherte mich ihnen einfach und fragte dann leise, wie zufällig: Was zu rauchen?
    Wenn jemand Interesse zeigte, bedeutete ich ihm mit einer Kopfbewegung mitzugehen. Das war der Zeitpunkt, an dem die meisten schon ausstiegen. Sie wollten nicht ein paar Schritte mit mir gehen, und ich wollte nicht mit ihnen rumstehen zwischen all diesen Menschen, die uns zuhören konnten. Ich wollte die Straße langschlendern, als würden wir uns kennen. Wenn das klappte, wurden wir uns schnell einig über den Preis, wir gingen zum Jeep, und ich gab ihnen das Haschisch und nahm erst dann das Geld, damit sie mir vertrauten, damit sie mir glaubten, daß ich sie nicht übers Ohr hauen würde, wie es auf der Straße oft passierte.
    Sie führten den Klumpen an ihre Nase, lächelten breit, entspannten sich und zahlten dann alle – bis auf einen, der einfach loslief, als er den Afghanen in der Hand hatte. Ich ließ ihn laufen, da ich keinen Ruf zu verlieren hatte, brauchte ich mir auch keinen Streß zu machen.
    Ich fühlte mich sicher, ich sprach nur Touristen an, die würden schon keine Zivilfahnder sein, und wenn die Polizei doch irgendwie mitkriegte, was ich hier machte, dann hatte ich nichts bei mir. Sie mußten mich schon beim Dealen beobachten, doch das würde nicht passieren.
    Regelmäßig holte ich Nachschub aus dem Schließfach, Oriana saß im Bahnhofscafé, und ich setzte mich bei meinem dritten Gang zu ihr und bestellte mir Eistee.
    – Es läuft gut, sagte ich, es gibt keinen Grund zur Sorge.
    – Du mußt nicht immer herkommen, sagte sie, ich kann dir was bringen.
    – Möchtest du das wirklich?
    – Ja.
    – Danke. Aber ich nicht.
     
    Nach etwas mehr als vier Stunden hatte ich fast alles verkauft, ein zufriedener Kunde kam zurück und wollte noch mal fünf Stücke erwerben. Ich wäre stutzig geworden, hätte mich nach Polizisten umgeguckt, aber seine Augen waren rot, die Lider hingen herab wie bei Robert Mitchum, das war kein Schlafzimmerblick mehr. Der Mann war froh, daß da überhaupt noch ein schmaler Schlitz war, aus dem er raussehen konnte. Ich bekam Lust, auch zu rauchen.
    Etwas später kam eine kleine Frau in einem kurzärmligen Männerhemd, deren Hose tief auf den breitem Hüften saß, ein tougher Schick, sie sah aus wie eine, die viel mit Männern rumhängt. Mich hatte diese Sorte Frau schon immer gereizt, aber ich hatte nie eine kennengelernt. Sie war vielleicht achtzehn, neunzehn Jahre alt, auch ihre Augen waren rot, rot wie die Sauce von heute mittag. Sie steuerte geradewegs auf mich zu und sagte nur: Afghane. Ich nickte, ich kam mir ein wenig vor wie in alten Zeiten. Sie drückte mir einfach Geld in die Hand.
    Als sie ging, verstand ich, warum ihre Hose so niedrig hing. Sie hatte eine Tätowierung in Höhe ihres Lendenwirbels, die den Schwung ihrer Pobacken nachahmte. Ich hätte viel gegeben, ihren nackten Hintern sehen zu dürfen. Mir gefiel es, wenn Frauen versuchten sexy auszusehen, mir gefiel es, zu wissen, daß sie die Blicke genoß, sonst hätte sie sich doch eine Rose aufs Schulterblatt tätowieren lassen.
    Die letzten zwei Stücke lagen auf dem Reifen, wir hatten genug Geld, um es uns die letzten Tage gutgehen zu lassen, ich wollte noch diese zwei Stücke loswerden und mich dann mit Oriana nach einem Hotel umsehen. Das war keine Habgier oder unnötiges Risiko, was hätte ich denn mit den letzten beiden Stücken machen sollen?
    Als ich ein Stück die Straße runterging, weil ich das Gefühl hatte, daß der Postkartenverkäufer mich bereits prüfend musterte, sah ich gerade noch, wie jemand in den Jeep stieg. Er ließ den Motor an und fuhr los. Ich ging dahin, wo der Wagen gestanden hatte, da klebte noch ein wenig plattgefahrener Afghane auf dem Asphalt, das meiste war aber wohl im Profil des Reifens steckengeblieben. Ich hockte mich hin und klaubte das

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