Ein Spiel, das die Götter sich leisten
legten Aprikosen zum Trocknen aus.
– Wie schön das hier ist, so müßte man wohnen, sagte ich zu Oriana, die hinter mir stand. Hier kannst du atmen, abends holst du dir einen Stuhl runter, setzt dich unter diesen Baum, einen Tee, etwas zu rauchen und dann: Da merkte ich, daß es nichts Besseres dabei gibt, als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Sela.
Ich breitete die Arme aus und sah mich schon dort sitzen, seltsamerweise allein. Oriana stellte sich in die Mitte des Hofs und schien von etwas Ähnlichem zu träumen. Aus den Mündern der Frauen sprudelten Worte hervor. Gleichzeitig hielten sie inne und sahen kurz zu uns herab, dann nahmen sie wieder Aprikosen aus dem Eimer, halbierten sie mit einem Messer, legten die Kerne zu den anderen Kernen und die Hälften in die Sonne. Oriana und ich standen da, ich setzte an, etwas zu sagen, doch sie war schneller: Es riecht so gut. Das hatte ich auch sagen wollen. Aprikosenduft.
Keine einzige Wolke war am Himmel, als wir den Hügel zur Burg hochstiegen. Es war heiß, wir schwitzten, und ich hatte keine Spucke mehr im Mund. Oben kauften wir uns in einem Souvenirladen etwas zu trinken. Nicht ganz so teuer, wie erwartet, dachte ich, als die Frau an der Kasse die Zahlen eintippte. Doch es war der Preis für eine Dose, sie drückte eine Taste, und der Betrag verdoppelte sich.
Von dem Hügel hatte man einen herrlichen Blick auf die Stadt, den Fluß, die Dächer, erkannte das Parlament, die Kirche, die Insel in dem Fluß, und der blaue Fleck dort, das war wahrscheinlich das überfüllte Freibad.
Als wir wieder hinunterstiegen, kam uns ein ungewohnter Duft aus einer Bäckerei entgegen. Wir traten ein, zeigten auf die Sachen, die wir wollten, ohne eine Ahnung zu haben, was davon süß, was salzig und was herzhaft war, und dann setzten wir uns mit einer Flasche Wasser, die halb soviel gekostet hatte wie eine Dose, in den Park und bissen vorsichtig in die Teilchen, ließen uns überraschen. Ich saß mit Oriana im Gras, wir hatten nichts zu tun, außer zu probieren. Während wir uns vollkrümelten, versuchten wir Worte für das Gebäck zu finden.
– Das hier, das schmeckt, als müßte es Talabi heißen, sagte Oriana.
Ja, das war genau das richtige Wort. Dieses Ding mit der süßen Walnußfüllung mußte einfach Talabi heißen. Als wir satt waren, kramte Oriana den Stadtplan hervor.
– Diese Kirche ist hier ganz in der Nähe. Sie wurde im 9. Jahrhundert von …
– Laß uns einfach hingehen, sagte ich, ich kann keine romanische von einer gotischen Kirche unterscheiden.
– Du interessierst dich nicht für Architektur. Orianas Stimme klang wie die eines Konditors, der zum ersten Mal merkt, daß seine Angebetete weder was für Kuchen noch für Torten übrig hat.
– Nein, sagte ich, nicht für Architektur. Aber ich gehe gerne mit dir mit, fügte ich hinzu. Vielleicht klang es unbeholfen, aber es war mein Ernst. Wir redeten kein Wort mehr.
In der Kirche war es kühl, dämmrig und ruhig. Während Oriana sich die Fenster ansah, setzte ich mich auf eine Bank, ich wurde ganz ruhig und entspannt, der Schweißfilm auf meiner Haut verschwand. Ich mochte solche stillen, erhabenen Orte. In den Städten konnte man diese Atmosphäre, die einen leise und friedlich werden ließ, fast nur in diesen alten großen Gotteshäusern finden, auf dem Land war das viel leichter.
– Besser eine Handvoll mit Ruhe, als beide Fäuste voll mit Mühe und Haschen nach dem Wind, sagte ich halblaut, als wir rausgingen.
Es waren die ersten Worte nach unserem langen Schweigen.
– Warum kannst du das eigentlich? fragte Oriana.
– Was?
– Aus der Bibel zitieren. Du bist doch nicht christlich erzogen.
– Das sind keine richtigen Zitate. Ich ahme nur die Sprache nach.
– Und warum kannst du das? Du mußt die Bibel doch gelesen haben.
– Ich habe sie nicht wirklich gelesen. Ich habe angefangen mit dem Prediger Salomo, weil mich interessiert hat, wer denn dieser weise Mann ist, auf dessen Grab man angeblich den ersten Hanf entdeckt hat. Mir gefiel die Sprache, etwas veraltet, aber so kraftvoll und poetisch, sie hatte etwas Mächtiges, Beschwörendes. Das Buch der Bücher. Die Geschichten haben mich nie interessiert, nur die Offenbarung, die Psalmen, die anderen Weisheitsbücher, die habe ich gerne gelesen. Und du?
– Ich kenn mich kaum aus.
– Als Sizilianerin muß deine Mutter doch strenggläubige Katholikin gewesen sein.
– Ja, meine Mutter war gläubig, aber mich haben
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