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Ein Spiel um Macht und Liebe

Ein Spiel um Macht und Liebe

Titel: Ein Spiel um Macht und Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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mußte sie seinen Blick gespürt haben, denn sie sah auf.
    Einen Augenblick hielten ihre Blicke einander fest, und jeder von beiden konnte den namenlosen Kummer und das Mitgefühl des anderen spüren.
    Dann wandte Nicholas sich ab, denn er wußte, daß er in seinem momentanen Zustand seine seelischen Schutzfunktionen nicht würde aufrechterhalten können. Und wenn sie durch diese hindurchkam, würde er ganz
    zusammenbrechen.
    Er wollte die Toten nicht sehen, konnte aber dennoch nicht die Augen davor verschließen.
    Widerstrebend ging er hinüber zu der Stelle, wo man die Leichname in zwei Reihen auf Kohlesäcken niedergelegt hatte; er zählte achtundzwanzig. Während er den grausigen Anblick in sich aufnahm, brachte man einen weiteren Toten. Die Leiche war schlimm verbrannt, aber eine Frau hastete herbei, warf sich auf die Knie und suchte nach einem Ring.
    Einen Augenblick später brach sie in schreckliches Wehgeschrei, aus. Dann wurde der Tote bedeckt, und ein älterer Mann, dessen Gesicht selbst tränenüberströmt war, führte die weinende Frau davon.
    Weil ihn die Übelkeit zu überwältigen drohte, wandte er sich rasch ab und stand Marged Morris gegenüber. Mit sechzehn war sie das hübscheste Mädchen in Penreith gewesen, und sie war zu einer reizenden Frau herangewachsen. Nun war ihr Gesicht jedoch verhärmt, und sie sah doppelt so alt aus, als sie in Wirklichkeit war. »Owen wird vermißt«, flüsterte sie. »Gibt es… gibt es eine Chance für ihn?«
    Nicholas wäre lieber in der Mine umgekommen, als ihr diese Frage zu beantworten. Und doch mußte er es tun, denn er war der einzige, der wußte, wo Owen sich zur Zeit der Explosion aufgehalten hatte. »Ich fürchte nicht, Marged«, brachte er gequält hervor. »Der Bychan-Schacht ist verschüttet, und die Stollen darunter müssen gleichzeitig eingestürzt sein.« Seine Kehle wurde eng, und er schluckte ein paarmal hart. »Ich habe gehört, daß man nicht damit rechnet, in diesem Teil der Mine noch Überlebende zu finden.« Einen Augenblick starrte sie ihn nur an, und er fragte sich, ob sie es überhaupt begriffen hatte. Dann sah er, daß sie am ganzen Körper zitterte, als hätte sie Schüttelfrost.
    Nicholas konnte ihren Blick nicht mehr ertragen und zog sie in die Arme. Sie klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende, und die Schluchzer schüttelten ihren schlanken Körper.
    Mit Tränen in den Augen sagte er heiser: »Dir und den Kindern wird es niemals an etwas fehlen. Das schwöre ich.« Noch während er die Worte aussprach, erkannte er, wie es in ihren Ohren klingen mußte. Was für ein lächerlicher Ersatz war schon Geld, wenn man den Ehemann und den Vater seiner Kinder verloren hatte?
    Nun näherte Clare sich ihnen. Er sandte ihr über Margeds Kopf hinweg einen verzweifelten, hilfesuchenden Blick zu. Clare verstand sofort und nahm ihre Freundin in die Arme. »Wenn es etwas Neues gibt, wirst du sofort benachrichtigt. Aber jetzt bringe ich dich nach Hause. Deine Kinder brauchen dich.«
    Langsam richtete sich Marged wieder auf und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
    »Ja, natürlich. Ich muß zu den Kindern. Und ich muß es Owens Mutter m… mitteilen«, sagte sie stumpf. Doch plötzlich verzerrte sich ihr Gesicht vor Zorn. »Ich werde meine Söhne niemals dort arbeiten lassen! Niemals!« Dann wandte sie sich um und ging, von Clare gestützt, davon.
    Nicholas sah den beiden hinterher, bis sie im Gewimmel verschwunden waren. Es war inzwischen dunkel geworden, und man hatte Fackeln angezündet. In dem flackernden Licht wirkte der Zechengrund mit den Trümmern und den Toten wie eine Szenerie der Hölle aus einem mittelalterlichen Gemälde.
    Mit bleischwerem Herzen ging er zum Hauptschacht hinüber und reihte sich in eine Gruppe von Männern ein, die nach ihrer Pause wieder hinuntergehen wollten. In ihren staubbedeckten schwarzen Kleidern konnte man kaum einen vom anderen unterscheiden. Nicholas wußte, daß er nicht anders aussah.
    Als er darauf wartete, hinuntergelassen zu werden, brüllte auf einmal eine bekannte Stimme:
    »Was zum Teufel tust du hier, Aberdare?
    Verschwinde sofort von meinem Grund und Boden.«
    Nicholas wandte sich um und sah Michael Kenyon auf ihn zusteuern. Nun wurde ihm bewußt, daß es Michaels Stimme gewesen war, die vorhin die Befehle erteilt hatte. Er organisierte die Rettungsarbeiten mit der Effizienz und der kühlen Distanziertheit, die er sich in den Jahren des Krieges angeeignet hatte.
    »Spar dir deinen Zorn für

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