Ein Spiel um Macht und Liebe
später auf«, sagte Nicholas müde. »Bis wir hier fertig sind, brauchst du jede Hilfe, die du kriegen kannst.«
Als der andere Mann den Mund zu einer Entgegnung öffnete, brachte ihn Nicholas mit einer Geste zum Schweigen. »Zum Teufel, Michael, halt den Mund.«
Zornesrote Flecken erschienen auf Michaels Wangen, aber er sparte sich einen Kommentar.
Die Lippen zu einem farblosen Strich zusammengepreßt, machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand.
Und Nicholas kehrte wieder in die Mine zurück.
Clare sah Nicholas erst zwei Tage später wieder.
›Karren-Lewis‹, der die meisten Transporte um Penreith herum erledigte, brachte den bewußtlosen Earl nach Aberdare. Rhys Williams ließ Clare nach draußen holen, wo sie voller Entsetzen in den Wagen starrte. Nicholas war zerlumpt und dreckig, und an seiner Kleidung und den Händen klebte getrocknetes Blut.
Lewis bemerkte, wie schockiert sie war. »Er hat sich nichts getan, Miss Morgan, is’ nur völlig am Ende«, sagte er ermutigend. Dann nickte er beifällig. »Der Earl mag ja ’n Zigeuner sein, is’
aber ’n guter Kerl, ehrlich. Hat keine Angst, sich die Hände dreckig zu machen. Hat seit zwei Tagen nich’ geschlafen, wie ich gehört hab’, aber schließlich muß der Körper ja ma’ ’ne Pause machen.«
Williams und ein Lakai hoben Nicholas vom Karren herunter, der mit Stroh ausgelegt war. »Machen Sie sich keine Sorgen, Miss«, sagte der Butler, als Clare immer noch nicht beruhigter aussah. »Wir kümmern uns schon um ihn.«
Clare begriff, daß sie ohnehin nur im Weg sein würde, und so wandte sie sich zu Lewis um. »Gibt es schon endgültige Zahlen, Mr. Lewis?«
Er verzog das Gesicht. »Zweiunddreißig Tote, Dutzende von Verletzten, fünf werden noch vermißt. Kaum eine Familie, die nich’ ’n Verlust zu betrauern hätte, ’s nicht zu erwarten, daß noch Lebende geborgen werden. Ein Trupp wird weiter nach Leichen gucken, aber morgen wird der normale Betrieb in dem Teil der Grube, die nix abbekommen hat, wieder aufgenommen.«
Das Leben mußte wohl weitergehen, dachte Clare verbittert; ohne Zweifel wollten Madoc und Lord Michael nicht noch mehr Verlust durch vergeudete Zeit machen. »Vielen Dank, daß Sie Lord Aberdare nach Hause gebracht haben.« Sie zögerte, denn sie wußte nicht, ob Lewis auf eine handfestere Belohnung wartete.
Der Mann schien ihre Gedanken zu lesen. »Is’
nich’ nötig, Miss Morgan. Lord Michael Kenyon hat das schon erledigt. Is’ ’n harter Kerl, aber wirklich in Ordnung. Is’ selbst ’n paarmal
runtergegangen.« Seine Stimme bekam einen vertraulichen Klang, als er hinzufügte: »Die Kumpel hoffen, daß er die Zeche jetzt wieder selber leitet. Madoc hätte nie so’n Aufstand wegen Rettungsarbeiten gemacht.«
Vielleicht war Lord Michael ja doch nicht so übel.
Immerhin schien er frühere Fehler
wiedergutmachen zu wollen. Clare sagte Mr. Lewis Lebewohl, ging wieder ins Haus und trieb sich unentschlossen in der Eingangshalle herum. Was sollte sie tun? Auch sie hatte seit der Explosion schwer gearbeitet. Sie hatte die Verköstigung für die Rettungsleute organisiert, bei der Pflege der Verletzten geholfen und war außerdem zu den Freunden nach Hause gegangen, die von dem Unglück betroffen waren, um ihnen sowohl Trost als auch praktische Hilfe anzubieten.
Vor ein paar Stunden war auch sie endlich erschöpft nach Aberdare zurückgekehrt. Sie hatte drei Stunden geschlafen und wollte gerade wieder ins Dorf gehen, als Lewis eingetroffen war. Und aus seinen Worten konnte man schließen, daß das Schlimmste vorbei war. Sicher gab es noch Dinge, die sie tun konnte, aber ihre Hilfskraft war nicht mehr unerläßlich, so daß sie sich ein wenig ausruhen durfte. Sie war so erledigt, daß sie kaum noch einen vernünftigen Gedanken fassen konnte.
Mit einem Seufzen stieg sie die Treppe hinauf und ging wieder ins Bett.
Als Clare erwachte, war es dunkel. Ihr Körper fühlte sich zwar immer noch zerschlagen an, aber ihr Kopf war klar, und zum ersten Mal ließ sie die schmerzliche Tatsache auf sich einwirken, daß sie Owen niemals wiedersehen würde. Dies allein war schwer genug zu ertragen, doch wenn sie an Marged und die Kinder dachte, empfand sie einen noch furchtbareren Schmerz.
Die Nacht paßte zu ihrer Stimmung, denn ein Sturm zog auf. Der Wind pfiff um das Haus, und die Äste kratzten und schlugen gegen die Fenster.
Die Musik war so fein mit den Geräuschen des Windes verwoben, daß sie einen Augenblick brauchte, um
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