Ein Spiel um Macht und Liebe
daß sie eingewilligt hatte, ihn zu heiraten? Doch sie wirkte gelöst und heiter. »Offenbar hat Michael über das, was ich ihm in London gesagt habe, doch ernsthafter nachgedacht. Da er nun die Lage selbst begutachtet und schon Schritte zur Verbesserung unternommen hat, gibt es keinen Grund mehr, den Pachtvertrag aufzulösen.«
»Ich muß zugeben, daß ich beeindruckt bin. Er scheint doch ein recht vernünftiger Mann zu sein wenn er sein aufbrausendes Temperament unter Kontrolle hat«, sagte Clare. »Das bedeutet, daß du jetzt mehr Zeit für den Schieferbruch hast.«
»Hättest du Lust, in deinen Flitterwochen durch Wales zu reiten? Wir nehmen uns die Penrhyn-Brüche als Ziel. Nur wir zwei, die Berge, Osterglocken, romantische Nächte unter den Sternen…«
Ihre Brauen flogen hoch. »Und wenn es regnet?«
»Ruschelige, wenn auch weniger romantische Nächte in den Hütten für Reisende in den Bergen.«
»Hört sich entzückend an.« Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ihn wünschen ließ, er könnte die Pferde einfach irgendwo anbinden und sie in die Büsche zerren.
Nach reiflicher Überlegung tat er genau das.
Die folgende Woche verlief hektisch und geschäftig. Die Hochzeit verlangte nicht viel Organisation, denn sie hatten sich auf eine kleine Zeremonie auf Aberdare geeinigt. Im Dorf jedoch gab es unglaublich viel zu tun. Clare war auf einem Dutzend Begräbnisse anwesend, hielt weinende Frauen im Arm, half den Witwen, ihr zukünftiges Dasein zu organisieren. Als sich die Neuigkeit ihrer Verlobung verbreitete, erntete sie von einigen Leuten mißbilligende oder sogar haßerfüllte Blicke, aber ihre Hochzeit war, verglichen mit der vorangegangenen Katastrophe, relativ unbedeutend. Voller Ironie stellte sie fest, daß die Auswirkungen des Unglücks, das über das Dorf gekommen war, ihre Situation leichter machte.
Nicholas’ Verhalten war dagegen verwirrend. Er war charmant und rücksichtsvoll, und er hatte enorm viel Freude an ihrem Körper. Dennoch spürte sie, daß sie nun als Liebespaar weniger vertraut miteinander waren als zuvor als Kontrahenten. Es war, als wollte er ihre gesteigerte körperliche Nähe mit einem emotionalen Rückzug wieder ausgleichen. Und auch wenn sie dies nicht in ihrem Glauben an die Richtigkeit dieser Ehe erschütterte, so bekümmerte es sie doch zutiefst. Sie konnte nur hoffen, daß sich seine Reserviertheit geben würde, wenn sie verheiratet waren und der Alltag sich einstellte.
Am fünften Tag ihrer Verlobung kehrte sie am späten Nachmittag nach Aberdare zurück, wo Williams sie schon erwartete. »Der Earl of Strathmore ist im Salon. Er ist vor zwei Stunden angekommen.«
»Oje«, sagte Clare, als sie ihre Haube abnahm.
»Und Nicholas ist noch nicht aus Swansea zurück?«
»Nein, Miss.«
Sie betrat den Salon und fand den Earl in einem Sessel vor, wo er es sich mit einem Buch und Tee gemütlich gemacht hatte. »Lucien, was für eine Überraschung! Nicholas hat mir gar nicht erzählt, daß er Sie erwartet.«
Lucien erhob sich und nahm ihre Hände, dann küßte er sie leicht auf die Wange. »Er hat mich nicht erwartet – ich habe mich entschlossen, die Sondergenehmigung persönlich zu überbringen.
Allerdings hätte er wissen müssen, daß ich mir seine Hochzeit nicht entgehen lassen würde. Jeder Bräutigam braucht einen Freund an seiner Seite.
Rafe kann leider nicht kommen, was er sehr bedauert. Im House of Lords unabkömmlich.
Irgend etwas schrecklich Wichtiges. Allerdings hat er mir aufgetragen, die Braut in seinem Namen zu küssen.« Er hauchte ihr einen Kuß auf die andere Wange.
»Ich bin doch noch keine Braut.«
»Dann muß ich Sie am Hochzeitstag eben noch einmal küssen«, sagte er vergnügt. »Zweimal, wenn Nicholas mich läßt.«
»Es tut mir leid, daß Sie so lange haben warten müssen.«
»Ein unangemeldeter Gast verdient nichts anderes.«
»Hätten Sie Lust auf einen Spaziergang im Garten?« schlug sie vor. »Es ist ein herrlichen Maitag.«
»So wie ich Wales in Erinnerung habe, sollten wir rasch hinausgehen, sonst regnet es, bis wir dort sind.«
Sie zog ein Gesicht. »Traurig, aber wahr.«
Aber die Sonne war noch da, als sie den gepflasterten Hof betraten. Ein Pfau stolzierte vorbei und schlug ein Rad, und das Sonnenlicht brachte die blaugrünen Schwanzfedern wundervoll zum Leuchten. »Was für schöne Kreaturen«, bemerkte Lucien. »Aber leider entsetzlich dumm.
Ein Beispiel für den Fluch der Schönheit.«
Clare lachte. »Sie und Ihre
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