Ein Spiel um Macht und Liebe
so habe ich sie mir immer als majestätische, elegante Wesen vorgestellt, aber inzwischen habe ich herausgefunden, daß sie bloß lärmende, glorifizierte Hühnervögel sind. Das war übrigens eine herbe Enttäuschung. Ziemlich
desillusionierend.«
»Soviel zum Glanz des Adelsstandes.« Luciens Mundwinkel zuckten. »Komischerweise bringt mich das Gerede über Pfauen auf Nicholas’ erste Frau.«
Clare spielte mit ihrer Tulpe. »Was haben Sie von ihr gehalten?«
»Ich nehme an, ich sollte dazu nichts sagen, aber ich tu’s trotzdem. Es kann nie schaden, wenn eine zweite Gattin über die Frau, die vor ihr da war, Bescheid weiß.« Er dachte einen Moment nach.
»Sie war natürlich wunderschön, und sie war sich dessen sehr bewußt. Dazu besaß sie ein sehr lebhaftes Wesen, aber ich konnte sie nie recht leiden. Sie strahlte unterschwellig eine Kälte aus, die mich stets abgestoßen hat.« Er warf Clare einen amüsierten Blick zu. »Das ist allerdings die Meinung der Minderheit. Die meisten Männer hätten sich liebend gerne zu Boden geworfen, damit die unvergleichliche Caroline hätte auf ihnen Spazierengehen können, falls sie es gewollt hätte.«
»Ich glaube nicht, daß es mir gefallen würde, auf Menschen herumzulaufen«, sagte Clare trocken.
»Das kann nicht sehr bequem sein.«
»Was der Grund dafür ist, daß Sie und Nicholas wahrscheinlich bestens miteinander auskommen werden. Auch wenn er ihre beträchtlichen äußerlichen Vorzüge bewundert hat, so gab er doch niemals einen guten Teppich ab.«
Clare konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob daraus die Probleme dieser ersten Ehe entstanden waren. »Er liebte sie aber immerhin genug, um sie zu seiner Frau zu machen.«
»Keinesfalls. Es war eine arrangierte Ehe, wie Sie wissen.« Seine Brauen zogen sich zusammen.
»Oder vielleicht wissen Sie es ja gar nicht.
Selbstverständlich war es die Idee des alten Earls
– er wollte den Fortbestand der Linie sicherstellen, bevor er sterben würde. Nicholas hatte Zweifel, aber er willigte ein, Lady Caroline kennenzulernen, und war anschließend angenehm überrascht. Er hatte befürchtet, daß sein Großvater ihm irgendeine pferdegesichtige Frau aus bester Familie präsentieren würde. Aber der alte Earl war schlau genug, um zu begreifen, daß sein Enkel sich querstellen würde, wenn das Mädchen nicht attraktiv genug war. So aber stimmte Nicholas dem Arrangement recht willig zu.«
»Gab es von Anfang an Schwierigkeiten in dieser Ehe?«
»Eigentlich ließ sie sich weit vielversprechender an, als es bei solchen Beziehungen sonst der Fall ist. Nicholas schien zufrieden mit dem Handel.
Doch nach ein paar Monaten…« Er brach ab und zuckte die Schultern. »Irgend etwas ging schief, aber ich habe keine Ahnung, was es gewesen ist.
Nicholas schickte Caroline nach Aberdare und blieb allein in London.«
»Und versuchte, durch Ausschweifungen zu vergessen«, half Clare aus, da ihr
Gesprächspartner nicht geneigt schien, das Thema zu vertiefen.
»Ich fürchte, ja«, gab er zu. »Nicht, daß ich etwas gegen Ausschweifungen hätte, aber er schien eigentlich nicht viel Spaß daran zu haben. Ich traf ihn zwar zu der Zeit ein paarmal, aber er vertraute sich mir nicht an. Dann passierte diese scheußliche Sache auf Aberdare, und er verließ das Land. Wahrscheinlich wissen Sie mehr darüber als ich.«
»Vielen Dank, daß Sie so offen mit mir gesprochen haben. Ich möchte Nicholas so gut wie möglich verstehen.« Sie pflückte noch eine weiße Tulpe. »Manchmal kommt es mir vor, als wäre er ein Theaterstück, und ich bin erst im zweiten Akt dazugekommen, so daß ich nun herausfinden muß, was im ersten geschehen ist.«
Lucien lächelte. »Das ist das Wesen aller Freundschaften, und auch das, was diese interessant macht.«
»Wo wir gerade bei Freundschaften sind – wußten Sie, daß Lord Michael wieder in seinem Haus auf der anderen Seite des Tals wohnt?«
Sein Kopf flog herum, und er musterte sie betroffen. »Nein, davon habe ich noch nichts gehört. Hat es Ärger gegeben?«
Seine Reaktion machte Clare einmal mehr klar, daß Lucien unter seiner zur Schau getragenen Oberflächlichkeit eine ernstzunehmende Persönlichkeit war. Gern wollte sie ihre Sorge mit ihm teilen. »Am Tag, nachdem Lord Michael zurückgekehrt war, wurde Nicholas beim Ausritt fast von einer Gewehrkugel getroffen. Ich hatte sofort Lord Michael in Verdacht, aber Nicholas ist davon überzeugt, daß es ein Wilderer gewesen war.«
»Hat es ähnliche
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